Pres­se­mit­tei­lung vom 26.04.2017

Antibiotika-Resistenzen verringern: Impfen kann helfen

Infektionen verringern – Antibiotika sparen

Wien, 26. April 2017 – Die stei­gen­den Anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­zen sind ein ernst­haf­tes Pro­blem für die öffent­li­che Gesund­heit. Ohne ent­spre­chen­de Maß­nah­men könn­te die Anzahl der Todes­op­fer auf­grund resis­ten­ter Kei­me in Euro­pa von der­zeit etwa 25.000 jähr­lich auf bis zu 390.000 im Jahr 2050 anstei­gen.1 Gewöhn­li­che Infek­tio­nen und klei­ne­re Ver­let­zun­gen sind dann mög­li­cher­wei­se nur noch schwer zu behan­deln. Noch ist die­ser Trend umkehr­bar. So kön­nen unter ande­rem bestehen­de und neu zu ent­wi­ckeln­de Impf­stof­fe hel­fen, Anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­zen zu redu­zie­ren.

Anzahl der Todes­fäl­le in Öster­reich unbe­kannt
Wie vie­le Men­schen in Öster­reich an Infek­tio­nen durch anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­te Kei­me erkrankt oder ver­stor­ben sind, ist nicht bekannt, da kei­ne Mel­de­pflicht exis­tiert. In Deutsch­land geht man von etwa 30.000 bis 35.000 Erkran­kun­gen mit mul­ti­re­sis­ten­ten Kei­men (MRE) und 1.000 bis 4.000 Todes­fäl­len pro Jahr aus.2 Legt man die­se Zah­len auf Öster­reich um, wären das 3.000 bis 3.500 Erkran­kun­gen und 100 bis 400 Todes­fäl­le jähr­lich.

Zu häu­fi­ger Anti­bio­ti­ka-Ein­satz3
Der Haupt­grund für das Anstei­gen der Anti­bio­ti­ka-Resis­tenz ist ihre Anwen­dung. Je häu­fi­ger sie ein­ge­setzt wer­den, des­to mehr stei­gen die Resis­ten­zen. Sie soll­ten daher nur bei nach­ge­wie­se­nen Infek­tio­nen zum Ein­satz kom­men. Tat­säch­lich gehö­ren sie aber zu den am häu­figs­ten ver­schrie­be­nen Medi­ka­men­ten. Ein wei­te­res Pro­blem dabei: Bis zu 50 Pro­zent aller Ver­schrei­bun­gen sind nicht (voll­stän­dig) kor­rekt. Das betrifft ent­we­der die Not­wen­dig­keit der Ver­schrei­bung über­haupt, die Dosie­rung oder die emp­foh­le­ne Zeit­dau­er der Ein­nah­me. Dazu kommt, dass sich resis­ten­te Bak­te­ri­en­stäm­me von einer Per­son zur nächs­ten wei­ter­ver­brei­ten kön­nen oder dies sogar über den Umweg der nicht-mensch­li­chen Umge­bung tun.

Mehr Imp­fun­gen – weni­ger Anti­bio­ti­ka
Zu den kurz­fris­ti­gen Gegen­maß­nah­men gehö­ren der ver­nünf­ti­ge Anti­bio­ti­ka­ein­satz und Maß­nah­men zur Infek­ti­ons­kon­trol­le. Lang­fris­tig kön­nen auch Imp­fun­gen über ver­schie­de­ne Wege dazu bei­tra­gen, Resis­ten­zen zu ver­rin­gern.

1. Bak­te­ri­el­le Infek­tio­nen ver­hin­dern
„Gibt es weni­ger Infek­tio­nen, redu­ziert sich auto­ma­tisch auch der Ein­satz von Anti­bio­ti­ka“, erklärt die Sozi­al­me­di­zi­ne­rin Univ.-Prof.in Dr.in Ursu­la Kun­ze vom Zen­trum für Public Health an der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien. Das haben wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en ein­deu­tig belegt: Bevor es Impf­stof­fe gegen Hae­mo­phi­lus Influ­en­za B (Hib), Pneu­mo­kok­ken und Menin­go­kok­ken gab, waren die Anti­bio­ti­ka- Resis­ten­zen bei die­sen Krank­hei­ten bereits zum Pro­blem gewor­den. Seit Ein­füh­rung der Imp­fung konn­ten sie bei Bak­te­ri­en­stäm­men, die durch die Imp­fung abge­deckt wer­den, fast eli­mi­niert wer­den. Beson­ders ein­drucks­voll hat sich das bei der Hib-Imp­fung gezeigt: Vor Ein­füh­rung der Imp­fung muss­ten auf­grund der Resis­tenz­ent­wick­lung gegen das Anti­bio­ti­kum Ampi­cil­lin bereits Chlor­am­pheni­col und das Breit­band­an­ti­bio­ti­kum Cepha­los­po­rin gegen die Hib-asso­zi­ier­te Menin­gi­tis (Hirn­haut­ent­zün­dung) ein­ge­setzt wer­den. Durch die flä­chen­de­cken­de Imp­fung kam es prak­tisch zum Ver­schwin­den der ampi­cil­lin­re­sis­ten­ten Infek­tio­nen.4 Ande­re Stu­di­en zei­gen, dass durch die Ein­füh­rung der Hib-und PCV-13 (Pneumokokken)-Impfstoffe in 75 Ent­wick­lungs­län­dern der Ein­satz von Anti­bio­ti­ka bei die­sen Erkran­kun­gen um 47 Pro­zent redu­ziert und 11,4 Mil­lio­nen Anti­bio­ti­ka-Tage bei Kin­dern unter fünf Jah­ren ver­mie­den wer­den konn­ten.5

2. Fehl­ver­schrei­bun­gen und Super­in­fek­tio­nen ver­rin­gern
Aber auch Imp­fun­gen gegen vira­le Infek­tio­nen hel­fen, den Ein­satz von Anti­bio­ti­ka zurück­zu­drän­gen. Vira­le Infek­tio­nen füh­ren näm­lich oft zu soge­nann­ten Super­in­fek­tio­nen (bak­te­ri­el­le Infek­tio­nen, die zusätz­lich zu vira­len auf­tre­ten). Dies pas­siert zum Bei­spiel beson­ders häu­fig bei Influ­en­za- Erkran­kun­gen. Bis zu 65 Pro­zent aller Influ­en­za-Erkrank­ten lei­den zusätz­lich auch an bak­te­ri­el­len Infek­tio­nen.6 Schafft man es nun, durch Imp­fun­gen die Anzahl der vira­len Infek­tio­nen zu redu­zie­ren, schlägt man zwei Flie­gen mit einer Klap­pe: Es ent­fal­len vie­le unnö­ti­ge Anti­bio­ti­ka-Ver­schrei­bun­gen, die gera­de bei Influ­en­za beson­ders oft vor­kom­men, gleich­zei­tig aber auch jene, die bei Super­in­fek­tio­nen tat­säch­lich not­wen­dig gewor­den wären.7 Kana­di­sche Daten zei­gen, dass die Anti­bio­ti­ka-Ver­schrei­bun­gen wäh­rend der Influ­en­za-Sai­son nach Ein­füh­rung eines gene­rel­len sai­so­na­len Influ­en­za-Impf­pro­gram­mes um mehr als 60 Pro­zent ver­rin­gert wer­den konn­ten.8

3. Über­tra­gung von resis­ten­ten Kei­men mini­mie­ren
Auch im Kran­ken­haus kann es zur Über­tra­gung von Kei­men kom­men. „Das ist beson­ders gefähr­lich, weil Kran­ken­haus­pa­ti­en­ten häu­fig ohne­hin einen schlech­ten Immun­sta­tus haben und die Kei­me, die in die­sem Set­ting über­le­ben, oft sehr resis­tent sind. Jede Kran­ken­haus­auf­nah­me, die durch eine Imp­fung ver­hin­dert wer­den kann, redu­ziert daher die Wahr­schein­lich­keit, sol­chen Kei­men über­haupt aus­ge­setzt zu wer­den“, erläu­tert die Impf­ex­per­tin wei­ter. Stu­di­en zei­gen bei­spiels­wei­se, dass immer mehr älte­re Men­schen mit Keuch­hus­ten im Spi­tal lan­den, aber eine flä­chen­de­cken­de Imp­fung die­ser Ziel­grup­pe die Hos­pi­ta­li­sie­rungs­ra­ten ver­rin­gern wür­de.9 Das gilt auch für die Imp­fung gegen Influ­en­za. Bei Kin­dern kön­nen ent­spre­chen­de Impf­pro­gram­me unter ande­rem gegen den Rota­vi­rus-Brech­durch­fall Hos­pi­ta­li­sie­run­gen und damit auch mög­li­che Anste­ckun­gen im Spi­tal ver­hin­dern.10

Rück­fra­ge­hin­weis:
Mag.a Uta Mül­ler-Car­stan­jen
Fine Facts Health Com­mu­ni­ca­ti­on
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mueller-carstanjen@finefacts.at

Kon­takt ÖVIH:
Mag.a Renée Gal­lo-Dani­el
Prä­si­den­tin des Öster­rei­chi­schen Ver­ban­des der Impf­stoff­her­stel­ler
Mobil: +43 664 544 62 90
r.gallo-daniel@web.oevih.at
www.oevih.at

1 Cecchini M, Langer J, Slawomirski L. Antimicrobial Resistance in G7 Countries and Beyond: Economic Issues, Policies and Options for Action. OECD. September 2015.
2 Gastmeier et al: Nosokomiale Infektionen und Infektionen mit multiresistenten Erregern – Häufigkeit und Sterblichkeit, DMW 2016; 141:421‐426
3 https://www.cdc.gov/drugresistance/about.html
4 Lipsitch M, Siber GR. How Can Vaccines Contribute to Solving the Antimicrobial Resistance Problem? mBio May/June 2016; 7(3): e00428‐16.
5 Laxminarayan R, Matsoso P, Pant S, Brower C, Røttingen JA, Klugman K, Davies S. 2016. Access to effective antimicrobials: a worldwide challenge. Lancet 387:168 –175
6 Klein EY, Monteforte B, Gupta A, et al.The frequency of influenza and bacterial co‐infection: a systematic review and meta‐analysis. Influenza and Other Respiratory Viruses. EarlyView June 24, 2016
7 Lipsitch M, Siber GR. How Can Vaccines Contribute to Solving the Antimicrobial Resistance Problem? mBio May/June 2016; 7(3): e00428‐16.
8 Kwong JC, Maaten S, Upshur RE, Patrick DM, Marra F. 2009. The effect of universal influenza immunization on antibiotic prescriptions: an ecological study. Clin Infect Dis 49:750–756
9 Karki S, McIntyre P, Newall AT, MacIntyre CR, Banks E, Liu B. Risk factors for pertussis hospitalizations in Australians aged 45 years and over: A population based nested casecontrol study. Vaccine 2015
10 Anderson EJ, Rupp A, Shulman ST, Wang D, Zheng X, Noskin GA. Impact of Rotavirus Vaccination on Hospital‐Acquired Rotavirus Gastroenteritis in Children. Pediatrics 2011; 127(2): e264–e270