FSME-Hotspots verändern sich

Gründe sind noch zu wenig erforscht – Impfschutz daher in ganz Österreich erforderlich

Wien, 17. Juni 2020. Die FSME-Fall­zah­len in Öster­reich sind in den letz­ten Deka­den um mehr als 80 Pro­zent gesun­ken. Das hat aber nichts mit einem Rück­gang der ver­seuch­ten Zecken zu tun, son­dern aus­schließ­lich mit der hohen Durch­imp­fungs­ra­te. Ganz Öster­reich gilt als Ende­mie­ge­biet. Das wird sich so schnell auch nicht ändern. Die FSME-Hot­spots haben sich im Lau­fe der letz­ten Jahr­zehn­te stän­dig ver­scho­ben, eine Pro­gno­se über poten­zi­el­le wei­te­re Ände­run­gen ist der­zeit nicht mög­lich. Ein Teil die­ser Ver­schie­bun­gen dürf­te auf den Kli­ma­wan­del zurück­zu­füh­ren sein, aller­dings ist die­ser wahr­schein­lich nur einer von meh­re­ren Fak­to­ren. Um sich auf der siche­ren Sei­te zu befin­den, muss sich jeder und jede auch wei­ter­hin im gan­zen Bun­des­ge­biet gegen FSME imp­fen las­sen.

FSME-Gefahr für Unge­impf­te gleich hoch wie vor der Impf-Ära
Die Anzahl der FSME-Neu­erkran­kun­gen ist seit der Ein­füh­rung der Imp­fung um 85 Pro­zent zurück­ge­gan­gen. Sie liegt jetzt (Zeit­raum 1999 bis 2017) jähr­lich bei etwa 41 bis 123 Erkran­kun­gen im Ver­gleich zu 300 bis 700 in der Zeit davor. Zwi­schen 2000 und 2011 konn­ten durch die Imp­fung etwa 4.000 FSME-Erkran­kun­gen und etwa 30 Todes­fäl­le ver­hin­dert wer­den. Gleich­zei­tig steht fest: Das Erkran­kungs­ri­si­ko für nicht geimpf­te Per­so­nen ist unver­än­dert geblie­ben. Nach wie vor liegt es bei 6 Fäl­len pro 100.000 Ein­woh­ner. Und hier liegt auch die gro­ße Gefahr, denn: „Im Unter­schied zu ande­ren Krank­hei­ten führt die FSME-Imp­fung nur zu einem indi­vi­du­el­len Schutz“, erläu­tert Univ.-Prof. Dr. Micha­el Kun­ze vom Zen­trum für Public Health der Med­Uni Wien. „Das eige­ne Erkran­kungs­ri­si­ko lässt sich nicht dadurch ver­rin­gern, dass sich alle Per­so­nen in mei­ner Umge­bung imp­fen las­sen. In die­sem Fall hilft nur die eige­ne Imp­fung.“

Zunah­me von FSME in Tei­len von Euro­pa
Jähr­li­che Fluk­tua­tio­nen in den FSME-Fall­zah­len der betrof­fe­nen Län­der sind typisch. Ins­ge­samt lässt sich aber eine Zunah­me in bestimm­ten Tei­len Euro­pas erken­nen. Auch haben sich in Gegen­den, die bis­her als virus­frei betrach­tet wur­den, neue Hot­spots gebil­det. Das gilt zum Bei­spiel für die Län­der Däne­mark, Nor­we­gen, Schwe­den und Finn­land, aber auch für die Schweiz. In Tsche­chi­en und der Slo­wa­kei wur­den FSME-Gebie­te in höher gele­ge­nen Gebie­ten ent­deckt. „Die Grün­de für die­se Ver­än­de­run­gen sind der­zeit noch Gegen­stand der For­schung“, berich­tet der Wie­ner Viro­lo­ge Dr. Otfried Kist­ner. „Meh­re­re Fak­to­ren dürf­ten eine Rol­le spie­len. Dazu gehö­ren sicher­lich der Kli­ma­wan­del, aber even­tu­ell auch Zug­vö­gel oder grö­ße­re Säu­ge­tie­re, die als Trans­port­ve­hi­kel für infi­zier­te Zecken die­nen könn­ten.“

Gegen­sätz­li­che Ent­wick­lun­gen inner­halb Öster­reichs
Auch in Öster­reich haben sich die Gebie­te, die beson­ders stark von FSME betrof­fen sind, ver­än­dert. So wie­sen Ober- und Nie­der­ös­ter­reich ursprüng­lich eine ähn­lich hohe Erkran­kungs­ra­te auf. Nach 1990 stieg jene von Ober­ös­ter­reich auf mehr als das Dop­pel­te an, wäh­rend jene von Nie­der­ös­ter­reich zurück­ging. „Beson­ders auf­fäl­lig waren jedoch die Ver­än­de­run­gen im Wes­ten des Lan­des“, stellt Sozi­al­me­di­zi­ner Kun­ze fest. „In Tirol gab es bis 1984 und in Vor­arl­berg bis 2000 kei­nen ein­zi­gen FSME-Fall. Danach wur­den das Inn- und das Zil­ler­tal in Tirol sowie das Ill­tal in Vor­arl­berg hoch­en­de­misch. Auch in der Nähe von Salz­burg sind neue Hoch­ri­si­ko­ge­bie­te ent­stan­den.“

Gefahr eines Zecken­stichs unter­schätzt
In der Befra­gung wur­de unter ande­rem auch um die Ein­schät­zung der Schwe­re einer FSME-Erkran­kung gebe­ten. Auch hier zei­gen sich inter­es­san­te Details. „Nur 38 % der Nicht-Geimpf­ten hal­ten FSME für schwer­wie­gend, jedoch 70 % der Geimpf­ten“, berich­tet Astrid Eßl. „Außer­dem wis­sen nur 48 % der Nicht-Geimpf­ten, dass aus­schließ­lich die FSME-Imp­fung vor FSME schützt, wäh­rend 80 % der Geimpf­ten dar­über infor­miert sind. Hier tun sich also noch eini­ge gefähr­li­che Wis­sens­lü­cken auf.“

Kli­ma­wan­del nicht die ein­zi­ge Ursa­che

„Immer wie­der wur­de der Kli­ma­wan­del als mög­li­che Ursa­che für die­se Ver­än­de­run­gen dis­ku­tiert, aber nie als ein­zi­ge Ursa­che belegt“, berich­tet Kist­ner. Auch eine Mas­ter­ar­beit an der Karl-Fran­zens-Uni­ver­si­tät Graz wur­de die­sem The­ma gewid­met. In die­ser wur­den geo­gra­fisch nahe bei­ein­an­der­lie­gen­de Täler mit und ohne FSME, aber mit ähn­li­chen kli­ma­ti­schen Bedin­gun­gen mit­ein­an­der ver­gli­chen. Auch wur­de ver­sucht, einen Bezug zur jähr­li­chen bezie­hungs­wei­se sai­so­na­len Tem­pe­ra­tur her­zu­stel­len. Es zeig­te sich jedoch ein­mal mehr, dass die unter­schied­li­che Ver­tei­lung der FSME-Hot­spots nicht aus­schließ­lich auf das Kli­ma bezie­hungs­wei­se auf Kli­ma­ver­än­de­run­gen zurück­ge­führt wer­den kann und daher Pro­gno­sen über wei­te­re Trends zum Vor­kom­men und der Ver­brei­tung von FSME wei­ter­hin nicht gemacht wer­den kön­nen.
„Auch wenn wir noch nicht genau wis­sen, wie genau sie zusam­men­hän­gen, so gehen Wis­sen­schaft­ler davon aus, dass die Fak­to­ren Kli­ma, Wirts­tie­re und Men­schen für die unter­schied­li­che Ver­tei­lung der FSME-Hot­spots ver­ant­wort­lich sein dürf­ten“, bringt Kist­ner den Stand der For­schung auf den Punkt. „Für uns Men­schen bedeu­tet das, dass wir uns nach wie vor imp­fen las­sen müs­sen, egal, wo in Öster­reich wir uns auf­hal­ten. Schließ­lich wis­sen wir nicht, wo mor­gen der nächs­te FSME-Hot­spot auf­tau­chen wird“, ergänzt Impf­ex­per­te Kun­ze.

Refe­ren­zen:

Öster­rei­chi­scher Impf­plan 2020

Heinz FX, et al. Vac­ci­na­ti­on and tick-bor­ne ence­pha­li­tis, cen­tral Euro­pe. Emerg Infect Dis. 2013;19(1):69–76.

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Schach­ner, Chris­ti­an, Cli­ma­te Chan­ge and TBE in Aus­tria. A com­pa­ri­son of inner­al­pi­ne val­leys. Mas­ter The­sis at the Karl-Fran­zens-Uni­ver­si­tät Graz, 2018

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