Gratis-Kinderimpfprogramm besser nützen

Das Gratis-Kinderimpfprogramm beschützt seit über 20 Jahren die Kleinsten in der Gesellschaft.

Wien, 12. Febru­ar 2020. Das Gra­tis-Kin­der­impf­pro­gramm beschützt seit über 20 Jah­ren die Kleins­ten in der Gesell­schaft, aber indi­rekt auch vie­le Erwach­se­ne vor impf­prä­ven­ta­blen Erkran­kun­gen. Die aller­meis­ten Eltern nüt­zen es und las­sen ihre Kin­der imp­fen. Manch­mal aller­dings zu spät und nicht aus­rei­chend kon­se­quent. Daher sind bei­spiels­wei­se die Masern immer noch ein The­ma, obwohl sie eigent­lich schon längst aus­ge­rot­tet sein soll­ten. Auch die WHO-Zie­le bezüg­lich Gebär­mut­ter­hals­krebs wird Öster­reich unter ande­rem auf­grund zu nied­ri­ger Durch­imp­fungs­ra­ten bei der HPV-Imp­fung nicht wie geplant errei­chen. Erwei­tert wird der Schutz hin­ge­gen bei den Pneu­mo­kok­ken. Der seit 1. Febru­ar ver­wen­de­te Impf­stoff deckt ein brei­te­res Erre­ger­spek­trum als bis­her ab. Er muss nun nur noch aus­rei­chend ange­nom­men und ver­impft wer­den.

Imp­fen schützt
Das Gra­tis-Kin­der­impf­kon­zept ermög­licht allen in Öster­reich leben­den Kin­dern bis zum 15. Lebens­jahr Zugang zu wich­ti­gen Imp­fun­gen unab­hän­gig von der finan­zi­el­len Situa­ti­on ihrer Erzie­hungs­be­rech­tig­ten. „Der­zeit wer­den im Rah­men des Kin­der­impf­kon­zepts acht ver­schie­de­ne Imp­fun­gen gra­tis ver­ab­reicht, die Schutz gegen 13 Erre­ger­grup­pen bie­ten“, berich­tet Priv.-Doz. Mag. Dr. Maria Paul­ke-Kori­nek vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Sozia­les, Gesund­heit, Pfle­ge und Kon­su­men­ten­schutz, Lei­tung Abtei­lung für Impf­we­sen. Ein Teil die­ser Imp­fun­gen fin­det im Säug­lings- bezie­hungs­wei­se Klein­kind­al­ter statt, der ande­re bei Schul­kin­dern. Und das mit Erfolg, wie am Bei­spiel der Imp­fung gegen Rota­vi­rus-Gas­troen­teri­tis ein­drucks­voll zu erken­nen ist: Vor der Ein­füh­rung der Rota­vi­rus-Imp­fung muss­ten jähr­lich 2.900 bis 4.400 Kin­der auf Grund einer Rota­vi­rus-Erkran­kung ins Kran­ken­haus ein­ge­wie­sen wer­den. Nach der Ein­füh­rung der Imp­fung kam es zu einer Sen­kung die­ser Hos­pi­ta­li­sie­rungs­ra­te um 90 %.

Feh­len­de Kon­se­quenz
„Aus den Berech­nun­gen der Durch­imp­fungs­ra­ten für Masern-Mumps-Röteln und Polio ist bekannt, dass Kin­der in Öster­reich zu spät und nicht aus­rei­chend kon­se­quent mit der not­wen­di­gen Anzahl an Dosen geimpft wer­den“, erläu­tert Paul­ke-Kori­nek. Eltern hät­ten oft Sor­ge, dass ihre Kin­der zu den emp­foh­le­nen Impf­zei­ten noch zu jung sei­en. Das Gegen­teil sei jedoch der Fall, so die Exper­tin.
Gewis­se Imp­fun­gen wür­den des­halb im Säug­lings- bezie­hungs­wei­se Kin­des­al­ter emp­foh­len, weil durch Imp­fun­gen ver­meid­ba­re Krank­hei­ten gera­de bei Babys und Klein­kin­dern häu­fi­ger vor­kä­men und spe­zi­ell in die­ser Alters­grup­pe zu schwer­wie­gen­den Ver­läu­fen füh­ren könn­ten. Paul­ke-Kori­nek: „Es ist daher außer­or­dent­lich wich­tig, mit den not­wen­di­gen Imp­fun­gen recht­zei­tig zu begin­nen und die­se zeit­ge­recht abzu­schlie­ßen, damit die Kin­der mög­lichst früh gegen die ent­spre­chen­den Erkran­kun­gen geschützt sind.“

Masern
Was pas­siert, wenn nicht oder nicht recht­zei­tig geimpft wird, sieht man unter ande­rem an den Masern. 2019 wur­den in Öster­reich 151 Masern­fäl­le regis­triert, ein Anstieg um fast das Dop­pel­te im Ver­gleich zum Vor­jahr. Fünf­zehn Fäl­le wur­den im Kran­ken­haus erwor­ben. Für Priv. Doz. Dr. med Danie­la Schmid, MSc, Lei­te­rin der Abtei­lung für Infek­ti­ons­epi­de­mio­lo­gie & Sur­veil­lan­ce des Bereichs Public Health an der Öster­rei­chi­schen Agen­tur für Gesund­heit und Ernäh­rungs­si­cher­heit beson­ders erschre­ckend: „2019 tra­ten 22 Fäl­le bei Kin­dern in der Alters­grup­pe von 1 bis 4 Jah­re und sechs Fäl­le bei den unter 1‑Jährigen auf. Und das, obwohl die Masern­imp­fung Teil des kos­ten­lo­sen Kin­der­impf­pro­gram­mes ist.“
„Bereits eine kur­ze Expo­si­ti­on führt zur Infek­ti­on, bei nahe­zu 100 Pro­zent kommt es zu kli­ni­schen Krank­heits­er­schei­nun­gen“, erklärt Prim. MedR. Ass.-Prof. DDr. Peter Voitl, MBA, Lei­ter der Kin­der­in­ten­siv­sta­ti­on im SMZ-Ost mit dem Spe­zi­al­be­reich Kin­der­kar­dio­lo­gie und Grün­der des ers­ten Wie­ner Kin­der­ge­sund­heits­zen­trum Donau­stadt. „Masern sind kei­ne harm­lo­se Erkran­kung, sie brin­gen neben den Haut­er­schei­nun­gen oft hohes Fie­ber und ein mas­si­ves Krank­heits­ge­fühl mit sich. Etwa 20 % aller Erkrank­ten müs­sen mit Fol­ge­er­schei­nun­gen bis hin zur Masern­en­ze­pha­li­tis rech­nen.“ „Eine Infek­ti­on mit dem Masern-Virus führt außer­dem zu einem lang­fris­ti­gen Scha­den des Immun­sys­tems“, ergänzt Schmid. „Es wird ange­nom­men, dass in der Prä-Masern­vak­zin-Ära min­des­tens die Hälf­te der Kin­der­sterb­lich­keit an Infek­ti­ons­krank­hei­ten Masern-asso­zi­iert war.“ Voitl: „Wich­tig ist, dass alle Kin­der ab dem 9. Lebens­mo­nat zwei Dosen des Kom­bi­na­ti­ons­impf­stof­fes Masern-Mumps-Röteln erhal­ten. Aber auch Erwach­se­ne, die nicht und nicht voll­stän­dig geimpft sind, soll­ten sich eben­falls jetzt nach­imp­fen las­sen. Die Imp­fung ist an allen öffent­li­chen Impf­stel­len gra­tis erhält­lich.“

Pneu­mo­kok­ken-Imp­fung schützt Kin­der und Erwach­se­ne
„Auch bei den Pneu­mo­kok­ken kommt es immer wie­der vor, dass Eltern ihre Kin­der nicht voll­stän­dig imp­fen las­sen“, berich­tet Dr. Rudolf Schmitz­ber­ger, Impf­re­fe­rent der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer. Wich­tig sei, dass der Impf­zy­klus (3 Teil­imp­fun­gen) wirk­lich ein­ge­hal­ten wer­de. „Bei nicht geimpf­ten Kin­dern sehen wir Kin­der­ärz­te außer den gefähr­li­chen inva­si­ven Pneu­mo­kok­ken-Erkran­kun­gen (IPE) häu­fig Fäl­le von immer wie­der­keh­ren­den Mit­tel­ohr­ent­zün­dun­gen, die nicht nur äußerst schmerz­haft sind, son­dern auch zu einer Flüs­sig­keits­bil­dung im Ohr und lang­fris­tig zu Hör­ein­schrän­kun­gen füh­ren kön­nen. Sehr vie­le davon kann man durch eine Pneu­mo­kok­ken-Imp­fung ver­mei­den.“
Wie gut die Imp­fung gera­de bei den Kin­dern unter fünf Jah­ren wirkt, kann mitt­ler­wei­le auch für Öster­reich in einer kürz­lich publi­zier­ten Stu­die ein­drucks­voll nach­ge­wie­sen wer­den: „73 % der erwar­te­ten inva­si­ven Pneu­mo­kok­ken-Erkran­kun­gen, aus­ge­löst durch die im Impf­stoff ent­hal­te­nen Sero­ty­pen, konn­te durch die damals im Kin­der­impf­kon­zept ver­wen­de­te Imp­fung ver­hin­dert wer­den“, berich­tet Infek­ti­ons­epi­de­mio­lo­gin und Fach­ärz­tin für Mikro­bio­lo­gie und Hygie­ne Schmid, die eine Ko-Autorin die­ser Stu­die ist. „Außer­dem zeig­te sich ein posi­ti­ver indi­rek­ter Effekt des Pneu­mo­kok­ken-Kin­der­impf­pro­gram­mes bei älte­ren Per­so­nen. So konn­ten von den erwar­te­ten Fäl­len von inva­si­ven Pneu­mo­kok­ken-Erkran­kun­gen, ver­ur­sacht durch die im Impf­stoff ent­hal­te­nen Sero­ty­pen, 79% bei den über 60-Jäh­ri­gen ver­hin­dert wer­den.“ In Öster­reich wird schluss­end­lich auf Basis der Ergeb­nis­se der epi­de­mio­lo­gi­schen Stu­die über die Effek­ti­vi­tät des im Gra­tis-Kin­der­impf­kon­zept ursprüng­lich ange­bo­te­nen Pneu­mo­kok­ken-Impf­stof­fes seit 1. Febru­ar ein neu­er Impf­stoff im Gra­tis-Kin­der­impf­kon­zept emp­foh­len, der ein grö­ße­res Spek­trum an Pneu­mo­kok­ken-Sero­ty­pen abdeckt. Wich­tig ist, dass Eltern die­ses neue Ange­bot nun auch ver­mehrt anneh­men und ihre Kin­der laut den Impf­emp­feh­lun­gen imp­fen las­sen.

HPV-Durch­imp­fungs­ra­ten viel zu nied­rig
Eine in Öster­reich beson­ders schlecht ange­nom­me­ne Imp­fung ist jene gegen das Huma­ne Papil­lo­ma-Virus (HPV). „Wir schät­zen, dass der­zeit nur etwa jedes zwei­te Kind im ent­spre­chen­den Alter gegen HPV geimpft wird“, erklärt Paul­ke-Kori­nek. Auch bei die­ser Imp­fung spielt der Impf­zeit­punkt eine wich­ti­ge Rol­le. „Idea­ler­wei­se fin­det sie bereits im Alter von 9 Jah­ren statt, so wie es im Kin­der­impf­pro­gramm vor­ge­se­hen ist“, erklärt Univ. Prof. Dr. Elmar Jou­ra von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Frau­en­heil­kun­de der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien und begrün­det auch, war­um: „Bei einer frü­hen Imp­fung wer­den höhe­re Anti­kör­per­spie­gel erreicht als spä­ter im Leben. Daher rei­chen bis zum 15. Lebens­jahr zwei Teil­imp­fun­gen aus, spä­ter benö­tigt man drei. Außer­dem kommt man mit der frü­hen Imp­fung einer ers­ten Infek­ti­on im Regel­fall zuvor.“

WHO-Ziel­er­rei­chung bei HPV in wei­ter Fer­ne
Die WHO hat das Ziel aus­ge­ru­fen, den Gebär­mut­ter­hals­krebs zu eli­mi­nie­ren. Dafür sol­len bis 2030 unter ande­rem 90 % aller Mäd­chen bis 15 Jah­re gegen HPV geimpft sein und die alters­ad­ap­tier­te Inzi­denz­ra­te (Häu­fig­keit der Neu­erkran­kun­gen) auf unter 4 pro 100.000 Frau­en­jah­re gedrückt wer­den sowie 70 Pro­zent aller Frau­en zwi­schen 35 und 45 zumin­dest ein­mal auf HPV getes­tet wer­den. „Öster­reich liegt der­zeit bei etwa acht Erkran­kungs­fäl­len pro 100.000 Frau­en­jah­re – also dem Dop­pel­ten des WHO-Zie­les – und wird die Eli­mi­na­ti­on ohne Ver­bes­se­rung der Durch­imp­fungs­ra­te und rou­ti­ne­mä­ßi­gen Ein­satz des HPV-Tests bei Frau­en ab 30 vor­aus­sicht­lich noch vie­le Jah­re nicht errei­chen“, befürch­tet Jou­ra.
Die Emp­feh­lung im Kin­der­impf­pro­gramm sei­en gut, nur die Umset­zung nicht, so der Gynä­ko­lo­ge. „Öster­reich hat zwar ein sehr gutes Schulimpf­pro­gramm und als ers­tes Land welt­weit emp­foh­len, auch Buben zu imp­fen, den­noch ist die Umset­zung je nach Schu­le sehr varia­bel. Ein Lösungs­an­satz wäre die Opt-out-Vari­an­te, wie es sie zum Bei­spiel in Eng­land gibt“, so Jou­ra. Eltern müss­ten sich dann schrift­lich gegen die Imp­fung ent­schei­den, ansons­ten wür­de das Kind geimpft.

Kin­der­impf­kon­zept nüt­zen
„Das Gra­tis-Kin­der­impf­kon­zept in Öster­reich ist eines der bes­ten der Welt“, betont Renée Gal­lo-Dani­el, Prä­si­den­tin des Öster­rei­chi­schen Ver­ban­des der Impf­stoff­her­stel­ler. „Es funk­tio­niert aber nur dann, wenn es auch tat­säch­lich in Anspruch genom­men wird. Sowohl für das ein­zel­ne Kind als auch für die Gesell­schaft als Gan­zes. Mein Appell an alle Eltern lau­tet daher: Las­sen Sie Ihr Kind recht­zei­tig und voll­stän­dig imp­fen und kon­trol­lie­ren sie ihren eige­nen Impf­sta­tus gleich mit!“

Refe­ren­zen:

https://www.who.int/docs/default-source/documents/cervical-cancer-elimination-draft-strategy.pdf

Rück­fra­ge­hin­weis:

Mag.a Uta Mül­ler-Car­stan­jen
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Prä­si­den­tin des Öster­rei­chi­schen Ver­ban­des der Impf­stoff­her­stel­ler
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