Große Einbrüche bei den Schulimpfungen

Eltern müssen nun dringend selbst aktiv werden und die versäumten Impfungen nachholen lassen

Wien, 26. Mai 2021. Vie­le Imp­fun­gen wer­den im Kin­des­al­ter (erst­mals) ver­ab­reicht, um das noch uner­fah­re­ne Immun­sys­tem zu unter­stüt­zen und die Kin­der vor schwe­ren Erkran­kun­gen zu schüt­zen. In Öster­reich sind die meis­ten die­ser Imp­fun­gen im kos­ten­lo­sen Kin­der­impf­kon­zept ent­hal­ten, vie­le wer­den im Rah­men der Schulimp­fun­gen ver­ab­reicht. Das ist momen­tan auch das Pro­blem, denn auf­grund der weni­gen Prä­senz­ta­ge in der Schu­le und der COVID-19-Schutz­maß­nah­men wur­den im letz­ten Jahr teil­wei­se weni­ger als 50 Pro­zent der not­wen­di­gen Imp­fun­gen durch­ge­führt. Ein Kon­zept, wie die­se nach­zu­ho­len sind, gibt es vor­erst nicht. Um ihre Kin­der zu schüt­zen, soll­ten Eltern nun selbst die Initia­ti­ve ergrei­fen und ihre Kin­der imp­fen las­sen. Der Öster­rei­chi­sche Ver­band der Impf­stoff­her­stel­ler (ÖVIH) hat ein Facts­heet zusam­men­ge­stellt, in dem pro Bun­des­land auf­ge­lis­tet ist, wie das am bes­ten gelin­gen kann.

Infek­ti­ons­krank­hei­ten im Lock­down rück­läu­fig

Kin­der-Imp­fun­gen haben in den letz­ten Jahr­zehn­ten vie­le schwe­re Krank­hei­ten glück­li­cher­wei­se zur Sel­ten­heit gemacht. „Den meis­ten Eltern dürf­te nicht mehr bewusst sein, wie gefähr­lich vie­le davon eigent­lich sind“, meint Univ.-Prof. Dr. Karl Zwi­au­er, Päd­ia­ter und Mit­glied des natio­na­len Impf­gre­mi­ums. „Vor allem jetzt nicht, da COVID-19 die Bericht­erstat­tung domi­niert und durch den Lock­down prak­tisch alle Infek­ti­ons­krank­hei­ten – außer FSME – inter­na­tio­nal und auch in Öster­reich zurück­ge­gan­gen sind. Zum Teil, weil es sie nicht gab, aber auch, weil sie pan­de­mie­be­dingt nicht dia­gnos­ti­ziert wur­den. Es ist zu befürch­ten, dass sie nach der Pan­de­mie umso stär­ker zurück­kom­men.“

Schulimp­fun­gen ein­ge­bro­chen

Inter­na­tio­na­le Daten zei­gen, dass Kinder‑, aber auch Erwach­se­nen-Imp­fun­gen wäh­rend der Pan­de­mie deut­lich sel­te­ner statt­ge­fun­den haben als sonst. In Öster­reich spie­gelt sich dies in den Abruf­da­ten des Kin­der­impf­kon­zepts wider. „Bei den Säug­lings- und Kleink­ind­imp­fun­gen sieht man, dass es zwi­schen den Lock­downs immer wie­der Nach­holimp­fun­gen gege­ben hat, bei den Schulimp­fun­gen ist es aber zu dra­ma­ti­schen Ein­brü­chen gekom­men“, erläu­tert Zwi­au­er. „2020 sind nur 70 % des Bedarfs der 4‑fach-Impf­stof­fe gegen Diph­the­rie, Teta­nus, Per­tus­sis (Keuch­hus­ten) und Polio (Kin­der­läh­mung) abge­ru­fen wor­den. Bei den HPV-Impf­stof­fen waren es nur 45 %, bei den Menin­go­kok­ken-ACWY-Impf­stof­fen 39 % und bei den Hepa­ti­tis-B-Impf­stof­fen 40 %. Da sind gewal­ti­ge Lücken ent­stan­den. Das ist umso dra­ma­ti­scher als wir ohne­hin schon kei­ne opti­ma­len Durch­imp­fungs­ra­ten hat­ten. Die aus­ge­fal­le­nen Imp­fun­gen kom­plett nach­zu­ho­len wird wohl auch in den letz­ten Wochen die­ses Schul­jah­res nicht mehr mög­lich sein.“

Unter­schätz­te Krank­hei­ten

Betrach­tet man die Daten im Detail, erkennt man, dass es bei man­chen Imp­fun­gen auch schon vor der Pan­de­mie zu Impflü­cken gekom­men ist. Das sieht man zum Bespiel an der 4‑fach-Imp­fung. „Bei Keuch­hus­ten ist es schon in den letz­ten Jah­ren zu einem Anstieg der Erkran­kung um das Vier­fa­che gekom­men, seit 2014 sogar um das Sechs­fa­che. Am stärks­ten waren Kin­der zwi­schen fünf und neun bezie­hungs­wei­se Jugend­li­che zwi­schen 15 und 19 Jah­ren betrof­fen“, berich­tet Zwi­au­er. „Hier gab es schon län­ger ein Pro­blem mit den Auf­fri­schungs­imp­fun­gen, jetzt dürf­te sich die­ses noch deut­lich ver­schärft haben.“ Auch bei HPV waren die Durch­imp­fungs­ra­ten in Öster­reich schon vor dem ers­ten Lock­down schlecht. „Das pan­de­mie­be­ding­te Absin­ken wird, wenn es nicht auf­ge­holt wird, mit­tel- und lang­fris­tig zu Todes­op­fern auf­grund von ver­meid­ba­ren Krebs­er­kran­kun­gen füh­ren“, ist Zwi­au­er über­zeugt. „Jede aus­ge­fal­le­ne Imp­fung, egal ob gegen Menin­go­kok­ken, Hepa­ti­tis B oder FSME wird sich in zusätz­li­chen Krank­heits­fäl­len nie­der­schla­gen.“

Imp­fun­gen nach­ho­len

Die Situa­ti­on der Schulimp­fun­gen ist von Bun­des­land zu Bun­des­land unter­schied­lich. Auch der Schul­typ kann ent­schei­dend dafür sein, ob Imp­fun­gen durch­ge­führt wer­den oder nicht. Es zeigt sich bei­spiels­wei­se, dass der­zeit in weni­gen Bun­des­län­dern (z.B. Wien und Ober­ös­ter­reich) Schulimp­fun­gen nahe­zu nor­mal durch­ge­führt wer­den (wenn auch auf­grund von Schicht­be­trieb und den weni­gen ver­blei­ben­den Schul­ta­gen bis zu den Feri­en kei­ne 100%ige Abde­ckung erreicht wer­den kann), in ande­ren Bun­des­län­dern nicht (z.B. Stei­er­mark und Salz­burg) und in wei­te­ren Bun­des­län­dern nur sehr ein­ge­schränkt (z.B. Nie­der­ös­ter­reich). In den meis­ten Bun­des­län­dern kön­nen die ver­säum­ten Imp­fun­gen bei den nie­der­ge­las­se­nen Ärz­ten nach­ge­holt wer­den, nicht jedoch in allen. Öffent­li­che Impf­stel­len über­neh­men die­se Auf­ga­be ein­ge­schränkt, aber auch nicht über­all.

Da es für Eltern sehr schwer ist, hier den Über­blick zu behal­ten hat der ÖVIH ein Facts­heet her­aus­ge­ge­ben, das die Situa­ti­on in den ein­zel­nen Bun­des­län­dern auf­zeigt sowie Links mit wei­te­ren Infor­ma­tio­nen bereit­hält.
Abruf­bar unter https://web.oevih.at/wp-content/uploads/2021/04/OeVIH-21_Factsheet-Schulimpfung_2804.pdf
Kin­der­arzt Zwi­au­er betont: „Wich­tig ist, dass sich die Eltern erkun­di­gen, wel­che Imp­fun­gen feh­len und sich dann dar­um küm­mern, dass die­se so schnell wie mög­lich nach­ge­holt wer­den.“

Rück­fra­ge­hin­weis:

Mag.a Uta Mül­ler-Car­stan­jen
FINE FACTS Health Com­mu­ni­ca­ti­on
Mobil: +43 664 515 30 40
mueller-carstanjen@finefacts.at
www.finefacts.at
www.oevih.at