Influenza-Impfung: Nachlässigkeit als Gefahr

Wahrscheinlichkeit für starke Grippe-Epidemie steigt mit dem Zurückfahren der COVID-Maßnahmen

Wien, 13. Okto­ber 2021. Die Influ­en­za-Sai­son steht vor der Tür. Soll­te es die­sen Win­ter zu einer Epi­de­mie kom­men, dürf­te sie jeden­falls hef­tig aus­fal­len. Daher raten Expert*innen ab sofort zur Influ­en­za-Imp­fung. Ob es die­ses Jahr tat­säch­lich eine Influ­en­za-Sai­son geben wird und wie hef­tig sie aus­fällt, hängt maß­geb­lich mit der inter­na­tio­na­len Rei­se­tä­tig­keit und den COVID-Maß­nah­men zusam­men. Im letz­ten Jahr war die Durch­imp­fungs­ra­te – für öster­rei­chi­sche Ver­hält­nis­se – sehr hoch. Es steht jedoch die Befürch­tung im Raum, dass sie die­ses Jahr auf­grund der aus­ge­blie­be­nen Influ­en­za-Wel­le im letz­ten Win­ter wie­der sin­ken könn­te. Das könn­te im Ernst­fall fata­le Fol­gen haben – für die Betrof­fe­nen und das Gesund­heits­sys­tem. Auch um ein gleich­zei­ti­ges Anstei­gen der COVID-19- und Influ­en­za-Erkran­kun­gen zu ver­mei­den, muss alles dar­an gesetzt wer­den, die Durch­imp­fungs­ra­te vom letz­ten Jahr zumin­dest zu hal­ten. Die Impf­stoff­her­stel­ler und der Bund haben jeden­falls vor­ge­sorgt. Auch heu­er steht ähn­lich viel Impf­stoff zur Ver­fü­gung, wie letz­tes Jahr, unter ande­rem in Form von Gra­tis-Impf­stof­fen für Kin­der und Men­schen in Alten- und Pfle­ge­hei­men. Alle Impf­stof­fe sind bereits im Land und ver­füg­bar.

Aus­ge­fal­le­ne Sai­son

Schwa­che Influ­en­za-Sai­so­nen kom­men immer wie­der vor, der fast voll­stän­di­ge Aus­fall im letz­ten Win­ter war aller­dings ein Novum. Ins­ge­samt wur­den in Öster­reich nur zwei Pro­ben posi­tiv auf Influ­en­za getes­tet, euro­pa­weit waren es 41. Für Prim. Dr. Chris­toph Wenisch, Chef der Infek­tio­lo­gie an der Kli­nik Favo­ri­ten war das eine gro­ße Erleich­te­rung. „Hät­ten wir zusätz­lich zu COVID- auch noch Influ­en­za-Fäl­le behan­deln müs­sen, hät­te das ver­mut­lich unse­re Kapa­zi­tä­ten über­las­tet. Gehol­fen haben uns hier die COVID-Schutz­maß­nah­men und die Tat­sa­che, dass so vie­le Men­schen wie noch nie gegen Influ­en­za geimpft waren.“ Gleich­zei­tig warnt er auch: „Eine Über­las­tung unse­rer Kapa­zi­tä­ten müs­sen wir auch die­se Sai­son ver­mei­den. Wenn sich die Men­schen auf­grund der Mög­lich­keit der COVID-Imp­fung wie­der häu­fi­ger tref­fen und es weni­ger Rei­se­be­schrän­kun­gen gibt, kann sich das Influ­en­za-Virus wie­der bes­ser ver­brei­ten. Das müs­sen wir ver­hin­dern.“

Zwei Varia­blen aus­schlag­ge­bend

„Aktu­ell sind vie­le COVID-Hygie­ne­maß­nah­men nach wie vor in Kraft. Die inter­na­tio­na­le Rei­se­tä­tig­keit ist immer noch stark ein­ge­schränkt“, erläu­tert Priv. Doz.in Dr.in Moni­ka Redl­ber­ger-Fritz, Lei­te­rin des Natio­na­len Refe­renz­la­bors für die Erfas­sung und Über­wa­chung von Influ­en­za-Virus­in­fek­tio­nen und Mit­glied des Natio­na­len Impf­gre­mi­ums. Da jedoch immer mehr Län­der ihre Maß­nah­men lockern wür­den, erhö­he sich die Wahr­schein­lich­keit, dass Influ­en­za-Viren ein­ge­schleppt wer­den könn­ten, so die Influ­en­za-Exper­tin. „Soll­ten auch bei uns noch im Win­ter die COVID-Restrik­tio­nen zurück­ge­fah­ren wer­den, haben die Influ­en­za-Viren eine Chan­ce, sich auch hier­zu­lan­de aus­zu­brei­ten.“

Wenn Grip­pe­wel­le, dann eine star­ke

In die­sem Fall befürch­tet sie eine beson­ders star­ke Influ­en­za-Wel­le. „Aus den Beob­ach­tun­gen der letz­ten 20 Jah­re weiß man, dass nach einer schwa­chen Influ­en­za-Sai­son die nächs­te umso mas­si­ver aus­fällt.“ Die­ses Jahr gäbe es dafür gleich meh­re­re Grün­de, erläu­tert sie. „Nor­ma­ler­wei­se kommt ein gewis­ser Teil der Bevöl­ke­rung wäh­rend einer Influ­en­za-Sai­son mit dem Virus in Kon­takt, ohne Sym­pto­me zu ent­wi­ckeln. Dadurch kommt es zu einer „stil­len Fei­ung“. Das Immun­sys­tem wird qua­si „upge­da­tet“. Auch wenn in der dar­auf­fol­gen­den Sai­son ein ande­rer Virus­stamm vor­herrscht, ent­steht den­noch eine gewis­se Kreuz­pro­tek­ti­vi­tät und damit ein gewis­ser Schutz. Die­ses „Update“ ist letz­te Sai­son aus­ge­fal­len.“ Außer­dem gäbe es mitt­ler­wei­le drei Gebur­ten­jahr­gän­ge (240.000 Kin­der), die noch nie Kon­takt mit einem der vier human­pa­tho­ge­nen Virus­stäm­me (H3) gehabt hät­ten. Im Fall einer Infek­ti­on könn­ten sie auf­grund ihrer hohen Virus­last und der lan­gen Infek­tio­si­tät zu Super­sprea­dern wer­den, warnt Redl­ber­ger-Fritz.

Hot­spots Schu­len und Kin­der­gär­ten

Ähn­li­ches fürch­tet auch ihr Kol­le­ge im Natio­na­len Impf­gre­mi­um, Dr. Albrecht Prie­ler. „Das Influ­en­za-Virus ver­brei­tet sich in Schu­len und Kin­der­gär­ten rasant. Ähn­lich wie bei COVID-19 ist man mit Influ­en­za auch schon vor Aus­bruch der Sym­pto­me anste­ckend, die Inku­ba­ti­ons­zeit ist kurz.“ Die Fol­ge sei, dass oft gan­ze Kin­der­gar­ten­grup­pen oder Klas­sen an Influ­en­za erkrank­ten. Wäh­rend bei gesun­den Kin­dern über sechs Jah­re schwe­re Ver­läu­fe eher sel­ten sei­en, käme ihnen als Überträger*innen oft eine ent­schei­den­de Rol­le zu: „Sie schlep­pen das Influ­en­za-Virus in die Haus­hal­te ein, was beson­ders für dort leben­de älte­re Men­schen gefähr­lich wer­den kann“, erläu­tert Prie­ler. „Das Letz­te, das wir brau­chen, sind Spi­tä­ler, die sich zusätz­lich zu den COVID-Erkrank­ten auch noch mit Influenza-Patient*innen fül­len. Ziel muss sein, die Influ­en­za-Epi­de­mie so nied­rig wie mög­lich zu hal­ten, auch, um einen wei­te­ren Lock­down zu ver­hin­dern und wirt­schaft­li­che und gesell­schaft­li­che Fol­gen zu mini­mie­ren.“

Nach­läs­sig­keit ver­hin­dern

Um dies zu ver­hin­dern, müss­ten sich mög­lichst vie­le Men­schen gegen Influ­en­za imp­fen las­sen, dar­über sind sich alle Expert*innen einig. „Letz­te Sai­son wur­de erst­mals eine Durch­imp­fungs­ra­te von über 20 Pro­zent, kon­kret 21,28 Pro­zent, erreicht“, berich­tet Mag.a Renée Gal­lo-Dani­el, Prä­si­den­tin des Öster­rei­chi­schen Ver­ban­des der Impf­stoff­her­stel­ler. „Das war ein gro­ßer Sprung im Ver­gleich zu den 8,53 Pro­zent im Jahr davor. Den­noch sind auch die 21 Pro­zent immer noch viel zu wenig im Ver­gleich zur 75-pro­zen­ti­gen Durch­imp­fungs­ra­te, die die EU und die WHO für die Grup­pe der älte­ren Men­schen und Risi­ko­per­so­nen emp­feh­len.“ 2021/2022 müss­te die­ser Wert zumin­dest gehal­ten und zukünf­tig noch wei­ter aus­ge­baut wer­den. „Dafür stel­len die impf­stoff­her­stel­len­den Unter­neh­men die­se Sai­son ins­ge­samt wie­der 1,823 Mil­lio­nen Impf­stoff­do­sen zur Ver­fü­gung“, so Gal­lo-Dani­el. „Es ist aller­dings zu befürch­ten, dass die Impf­be­reit­schaft wie­der zurück­ge­hen wird“ warnt sie. In Aus­tra­li­en sei die Durch­imp­fungs­ra­te gegen die sai­so­na­le Influ­en­za deut­lich gerin­ger aus­ge­fal­len als im Jahr davor. Dies sei eine kla­re Bot­schaft, dass es not­wen­dig sei, zusätz­lich zur Fort­set­zung des COVID-19-Impf­pro­gramms auch die Anwen­dung ande­rer Imp­fun­gen zu för­dern. Davor wird auch in einem Posi­ti­ons­pa­pier meh­re­rer euro­päi­scher Fach­ge­sell­schaf­ten gemein­sam mit den impf­stoff­her­stel­len­den Unter­neh­men gewarnt.

Impf­stof­fe bereits im Land

Ähn­lich sieht die Situa­ti­on Priv.-Doz.in Mag.a Dr.in Maria Paul­ke-Kori­nek, PhD, DTM, Lei­te­rin Abtei­lung für Impf­we­sen, Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Sozia­les, Gesund­heit, Pfle­ge und Kon­su­men­ten­schutz und Mit­glied des Natio­na­len Impf­gre­mi­ums: „Die Influ­en­za-Imp­fung ist in jedem Fall zu emp­feh­len, selbst wenn die Influ­en­za-Sai­son heu­er auf­grund andau­ern­der COVID-19-Hygie­ne­maß­nah­men noch ein­mal ent­fal­len soll­te. Denn: Wer sich jedes Jahr gegen Influ­en­za imp­fen lässt, pro­fi­tiert auch lang­fris­tig. Der Kör­per kann daher im Fall eines Kon­takts mit dem Virus ziel­ge­rich­te­ter und schnel­ler reagie­ren.“ Wie letz­tes Jahr wer­den auch die­ses Jahr wie­der etwa 300.000 Impf­stoff­do­sen im Rah­men des kos­ten­frei­en Kin­der­impf­pro­gram­mes des Bun­des, der Bun­des­län­der und der Sozi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger für Kin­der zwi­schen sechs Mona­ten und 15 Jah­ren zur Ver­fü­gung gestellt. Dazu kämen ins­ge­samt 100.000 Dosen Hoch­do­sis- bezie­hungs­wei­se adju­van­tier­te Impf­stof­fe für Per­so­nen in Alten- und Pfle­ge­hei­men. „Die Influ­en­za-Imp­fung wird jedem* jeder, der* die sich schüt­zen will, unab­hän­gig vom Alter emp­foh­len. Beson­ders nach­drück­lich aber Per­so­nen ab dem voll­ende­ten 60. Lebens­jahr, chro­nisch Kran­ken, Per­so­nen­grup­pen mit Risi­ko­fak­to­ren und Per­so­nal in Gesund­heits­we­sen, Alten­pfle­ge und Kin­der­be­treu­ung“, betont Paul­ke-Kori­nek.

Die ers­ten Impf­stof­fe (aus­schließ­lich Vier­fach-Impf­stof­fe) sei­en bereits im Land und könn­ten ver­impft wer­den. Der opti­ma­le Zeit­punkt dafür sei zwi­schen Ende Okto­ber und Mit­te Novem­ber. Aber auch dann, wenn bereits Fäl­le regis­triert wer­den, sei es noch sinn­voll, sich imp­fen zu las­sen, so die Impf­ex­per­tin. „Es ist nicht not­wen­dig, einen zeit­li­chen Abstand zu ande­ren Imp­fun­gen ein­zu­hal­ten.“ Die Influ­en­za-Imp­fung wer­de heu­er übri­gens eben­so wie die COVID-19-Imp­fung im e‑Impfpass doku­men­tiert.

„Flu day“ 2021

Über die Bedro­hung durch eine Influ­en­za-Epi­de­mie wird heu­er auch im Rah­men des euro­pa­wei­ten „Flu day“ am 14. Okto­ber dis­ku­tiert. Wei­te­re Infor­ma­tio­nen unter http://agenda.euractiv.com/events/eu-flu-day-2021-one-voice-protect-populations-flu-age-covid-19–222571

Rück­fra­ge­hin­weis:

Mag.a Uta Mül­ler-Car­stan­jen
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