Influenza-Risiko für Menschen mit Diabetes lange unterschätzt

Infektanfälligkeit, Komplikationsrisiko und Wahrscheinlichkeit für Blutzuckerentgleisungen deutlich erhöht

Wien, 5. Dezem­ber 2019. Lun­gen­ent­zün­dun­gen, Herz-Kreis­lauf-Pro­ble­me, Blut­zu­cke­rent­glei­sun­gen. Das sind nur drei mög­li­che Kom­pli­ka­tio­nen einer Influ­en­za-Erkran­kung bei Men­schen mit Dia­be­tes. Je schlech­ter der Blut­zu­cker­spie­gel ein­ge­stellt ist, des­to eher kommt es zu sol­chen Kom­pli­ka­tio­nen. Aber auch die Wahr­schein­lich­keit, über­haupt an Influ­en­za zu erkran­ken, hängt damit zusam­men. Das betrifft übri­gens nicht nur älte­re Men­schen mit Dia­be­tes, son­dern auch jene, die noch mit­ten im Erwerbs­le­ben ste­hen und sogar Kin­der. Prä­ven­ti­on ist mög­lich: Durch eine gute Blut­zu­cker­ein­stel­lung und vor allem durch die jähr­li­che Influ­en­za-Imp­fung. Wie gut die­se wirkt zei­gen mitt­ler­wei­le sogar ame­ri­ka­ni­sche Daten aus dem All­tag von Men­schen mit Dia­be­tes, die mit der neu­en Tech­no­lo­gie der soge­nann­ten „Weara­bles“ erho­ben wur­den.

In Öster­reich leben der­zeit etwa 600.000 Per­so­nen mit der Dia­gno­se Dia­be­tes mel­li­tus. 85 bis 90 Pro­zent von ihnen haben Dia­be­tes Typ‑2, unge­fähr 30.000 Per­so­nen Typ‑1. Bei­de Typen gehen oft mit wei­te­ren schwer­wie­gen­den Erkran­kun­gen – häu­fig im Herz-Kreis­lauf-Bereich — ein­her. Die­se sind nach wie vor die häu­figs­te Todes­ur­sa­che. Das Risi­ko für Infek­tio­nen bei Men­schen mit Dia­be­tes wur­de lan­ge nicht adäquat unter­sucht, obwohl bereits der ers­te Mensch, der jemals ein Insu­lin erhal­ten hat, an einer Lun­gen­ent­zün­dung als Kom­pli­ka­ti­on einer Influ­en­za-Erkran­kung gestor­ben ist. Neue­re Unter­su­chun­gen zei­gen, dass Infek­tio­nen wie Lun­gen­ent­zün­dun­gen oder Influ­en­za heu­te immer öfter Todes­ur­sa­chen bei Men­schen mit Dia­be­tes sind.

Je schlech­ter der Blut­zu­cker ein­ge­stellt ist umso höher ist das Hos­pi­ta­li­sie­rungs­ri­si­ko
„Men­schen mit Dia­be­tes haben gene­rell ein erhöh­tes Risi­ko für Infek­tio­nen und damit ein­her­ge­hen­den Kom­pli­ka­tio­nen“, erläu­tert OA Dr. Hel­mut Brath von der Dia­be­tes­am­bu­lanz am Gesund­heits­zen­trum Wien Süd. Die Blut­zu­cker­ein­stel­lung spielt dabei eine wich­ti­ge Rol­le. Zwei Bei­spie­le: Ein Pati­ent mit Typ-1-Dia­be­tes und schlech­ter Blut­zu­cker­kon­trol­le hat ein acht­fach erhöh­tes Risi­ko mit einer Infek­ti­on im Spi­tal auf­ge­nom­men zu wer­den im Ver­gleich zu einer Per­son ohne Dia­be­tes. Für einen Pati­en­ten mit Typ-2-Diab­tes ist das Risi­ko „nur“ um das Vier­fa­che erhöht. Das ist übri­gens kein Effekt des fort­ge­schrit­te­nen Alters, im Gegen­teil. Bei Per­so­nen über 65 mit Dia­be­tes liegt das Infek­ti­ons­ri­si­ko sogar unter jenem der 40- bis 64-jäh­ri­gen, ist aber im Ver­gleich zu Men­schen ohne Dia­be­tes immer noch deut­lich erhöht.
Spe­zi­fisch auf Influ­en­za-Infek­tio­nen bezo­gen ist ein ande­rer Ver­gleich auf­schluss­reich: Etwa 30 Pro­zent aller influ­en­za-beding­ten Spi­tals­auf­nah­men in den USA bei Erwach­se­nen in den letz­ten Jah­ren waren Men­schen mit Dia­be­tes, obwohl nur knapp unter 10 Pro­zent der ame­ri­ka­ni­schen Bevöl­ke­rung an Dia­be­tes erkrankt sind. Was das Risi­ko zusätz­lich erhöht: Etwa 90 Pro­zent aller Men­schen mit Typ-2-Dia­be­tes sind über­ge­wich­tig. Und Über­ge­wicht ist ein wei­te­rer Risi­ko­fak­tor für schwe­re Influ­en­za-Ver­läu­fe.

Influ­en­za bringt den Blut­zu­cker zum Ent­glei­sen
Eine Influ­en­za bei Men­schen mit Dia­be­tes ist aber nicht nur auf­grund von klas­si­schen Influ­en­za-Kom­pli­ka­tio­nen gefähr­lich. Sie macht es auch schwie­rig, den Blut­zu­cker unter Kon­trol­le zu hal­ten. Manch­mal führt eine Influ­en­za-Infek­ti­on dazu, dass der Blut­zu­cker steigt, manch­mal kön­nen Men­schen, wäh­rend sie krank sind, aber auch nicht essen, wor­auf der Blut­zu­cker fällt. „Bei­des ist sehr gefähr­lich und kann sogar lebens­be­droh­lich sein“ betont Brath. „Unge­klär­te Blut­zu­cker­an­stie­ge sind oft das ers­te Warn­si­gnal einer Infek­ti­on bei Per­so­nen mit Dia­be­tes. Dies soll­ten die Betrof­fe­nen unbe­dingt ernst neh­men und im Zwei­fels­fal­le lie­ber sofort zum Arzt gehen, damit die­ser der Ursa­che auf den Grund gehen kann.“ Daten aus einer ame­ri­ka­ni­schen Lang­zeit­stu­die, die mit­tels App erho­ben wur­den, för­der­ten wei­te­re inter­es­san­te Details zuta­ge: Im Zeit­raum von zwei Wochen vor der Influ­en­za-Dia­gno­se bis vier Wochen danach hat­ten Men­schen mit Dia­be­tes zusätz­lich zu den erhöh­ten Kom­pli­ka­ti­ons­ra­ten für Lun­gen­ent­zün­dun­gen, Sep­sis sowie Herz-Kreis­lauf­erkran­kun­gen auch einen höhe­ren Anti­bio­ti­ka­ver­brauch, eine schlech­te­re Schlaf­qua­li­tät und eine ein­ge­schränk­te­re Mobi­li­tät als die Kon­troll­grup­pe mit Men­schen ohne Dia­be­tes. Dazu kamen um 75 Pro­zent mehr abnor­ma­le Blut­zu­cker­wer­te im Ver­gleich zu den eige­nen Wer­ten vor der Erkran­kung.

Vor­beu­gen hilft: Blut­zu­cker ein­stel­len und gegen Influ­en­za und ande­re Infek­tio­nen imp­fen
„Eine Influ­en­za-Erkran­kung mit all ihren Kom­pli­ka­tio­nen ist aber auch für Men­schen mit Dia­be­tes kein unab­wend­ba­res Schick­sal“, meint Dia­be­tes-Spe­zia­list Brath. „Wich­tig ist, den Blut­zu­cker auf einem kon­stant nied­ri­gen Niveau zu hal­ten. Heu­te gibt es mit Apps und Co auch schon vie­le tech­ni­sche Mög­lich­kei­ten, die das unter­stüt­zen kön­nen. Min­des­tens so wich­tig ist aber auch die jähr­li­che Influ­en­za-Imp­fung.“ Laut Stu­di­en kann dadurch zum Bei­spiel das Hos­pi­ta­li­sie­rungs­ri­si­ko (egal aus wel­chem Grund) bei Men­schen mit Dia­be­tes im erwerbs­tä­ti­gen Alter um mehr als die Hälf­te gesenkt wer­den. Auch zu älte­ren Per­so­nen mit Dia­be­tes gibt es Daten, unter ande­rem zur Sterb­lich­keit: Die­se kann durch die Influ­en­za-Imp­fung um 56 Pro­zent redu­ziert werden.9 Anhand von den mit Apps auf­ge­zeich­ne­ten Real Life-Daten kann nun auch jede Befürch­tung bezüg­lich der Imp­fung selbst end­gül­tig zer­streut wer­den: Es wur­den kei­ne nega­ti­ven Begleit­erschei­nun­gen beob­ach­tet, weder bezo­gen auf das täg­li­che Akti­vi­täts­ni­veau noch auf die getrack­ten phy­sio­lo­gi­schen Daten.8

Refe­ren­zen:

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