Pres­se­mit­tei­lung vom 08.02.2017

Lebenslanges Impfen: Eine notwendige Präventionsmaßnahme

Impfungen bringen individuelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Vorteile

Wien, 8. Febru­ar 2017 –Wer glaubt, dass das The­ma Imp­fen mit Ende der Pflicht­schul­zeit erle­digt ist, der irrt. Die aktu­el­le Daten­la­ge zeigt klar, dass wir auch als Erwach­se­ne und ganz beson­ders im fort­ge­schrit­te­nen Alter regel­mä­ßi­ge Auf­fri­schun­gen benö­ti­gen. Nicht nur aus Eigen­nutz, son­dern auch, um gefähr­de­te Per­so­nen in unse­rer Umge­bung nicht in Gefahr zu brin­gen. Eine beson­de­re Ver­ant­wor­tung haben jene, die viel Kon­takt mit Men­schen haben, die ohne­hin gesund­heit­lich ange­schla­gen sind oder nicht geimpft wer­den kön­nen.

„Die meis­ten Län­der in Euro­pa kon­zen­trie­ren sich bis heu­te vor allem auf die Imp­fung von Kin­dern. Der Imp­fung von Jugend­li­chen, Erwach­se­nen und Senio­ren wird dage­gen oft sehr wenig Auf­merk­sam­keit geschenkt“, erklärt Mag.a Renée Gal­lo-Dani­el, Prä­si­den­tin des Öster­rei­chi­schen Ver­ban­des der Impf­stoff­her­stel­ler. Dabei wür­den nicht nur die Geimpf­ten selbst pro­fi­tie­ren. Auch wirt­schaft­lich und gesell­schaft­lich wir­ken sich Imp­fun­gen posi­tiv aus. Kran­ken­haus­auf­ent­hal­te, Arbeits­aus­fäl­le und Inva­li­di­tät kön­nen redu­ziert, dem Gesund­heits- und Sozi­al­sys­tem Kos­ten gespart wer­den, so Gal­lo.

Imp­fun­gen im fort­ge­schrit­te­nen Alter beson­ders wich­tig
Infek­tio­nen sind gera­de im fort­ge­schrit­te­nen Alter sehr häu­fig. „Die Grün­de dafür sind viel­fäl­tig“, erklärt Bir­git Wein­ber­ger vom Insti­tut für Bio­me­di­zi­ni­sche Alterns­for­schung der Uni­ver­si­tät Inns­bruck. „Im Alter kommt es zu ana­to­mi­schen und phy­sio­lo­gi­schen Ver­än­de­run­gen, die Infek­tio­nen begüns­ti­gen. Dazu kom­men Kran­ken­haus­auf­ent­hal­te und Ope­ra­tio­nen, die das Risi­ko für Infek­tio­nen zusätz­lich erhö­hen, sowie chro­ni­sche Erkran­kun­gen. Und das Immun­sys­tem selbst lässt nach. Älte­re Men­schen spre­chen daher auch auf Imp­fun­gen nicht mehr so gut an.“ Für die Exper­tin erge­ben sich dar­aus zwei Kon­se­quen­zen: Zum einen die Her­stel­lung von adap­tier­ten Impf­stof­fen für älte­re Per­so­nen, um den Schutz zu erhö­hen und zum ande­ren Maß­nah­men, um mehr Men­schen zum regel­mä­ßi­gen Imp­fen zu bewe­gen. Denn: Eine bestehen­de Immu­ni­tät durch vor­an­ge­gan­ge­ne Imp­fun­gen wir­ke sich posi­tiv auf das Anspre­chen bei wei­te­ren Imp­fun­gen aus, so Wein­ber­ger.

War­um regel­mä­ßi­ge Auf­fri­schun­gen wich­tig sind
„Man­che Pati­en­ten wol­len sich jedoch Auf­fri­schungs­imp­fun­gen, zum Bei­spiel bei der FSME-Imp­fung, erspa­ren“, erklärt Her­wig Kol­la­rit­sch, Fach­arzt für Spe­zi­fi­sche Pro­phy­la­xe und Tro­pen­me­di­zin vom Zen­trum für Rei­se­me­di­zin. Eine Stra­te­gie, die der Exper­te für ris­kant hält. Grund­sätz­lich gel­te bei FSME ein Impf-Inter­vall von fünf Jah­ren, bei Per­so­nen ab 60 eines von drei Jah­ren. Die­ses sei auf jeden Fall ein­zu­hal­ten. Die sog. „Titer­kon­trol­le“ kön­ne näm­lich kei­ne Aus­kunft dar­über geben, ob der Impf­schutz des Ein­zel­nen über das vor­ge­se­he­ne Inter­vall hin­aus anhal­te. „Wer Imp­fun­gen aus­lässt, kann den Impf­schutz ver­lie­ren“, so Kol­la­rit­sch.

Impf­not­wen­dig­keit ver­än­dert sich
Wäh­rend die Durch­imp­fungs­ra­te in Öster­reich bei FSME immer recht gut war, war sie das frü­her bei Keuch­hus­ten (Per­tus­sis) auf­grund einer schlecht ver­träg­li­chen Imp­fung nicht. Vie­le Kin­der erkrank­ten des­halb und so kamen auch Erwach­se­ne mit dem Keim in Kon­takt und wur­den immun. Heu­te ist das anders. Fast alle Kin­der sind dank eines ver­bes­ser­ten Impf­stof­fes geimpft, die Erwach­se­nen nun aber – man­gels Erre­ger­kon­takt – anfäl­lig für die Krank­heit. Kol­la­rit­sch: „Heu­te müs­sen daher auch sie regel­mä­ßig gegen Per­tus­sis geimpft wer­den, vor­zugs­wei­se in Kom­bi­na­ti­on mit Diph­te­rie und Teta­nus.“

Her­den­im­mu­ni­tät schützt beson­ders anfäl­li­ge Per­so­nen
„Oft kön­nen Per­so­nen auf­grund ihres Alters oder ihrer Vor­er­kran­kun­gen gegen bestimm­te Infek­tio­nen nicht geimpft wer­den. Ihr Schutz ist nur dann eini­ger­ma­ßen gewähr­leis­tet, wenn sich mög­lichst vie­le ande­re Men­schen imp­fen las­sen und damit eine sog. ‚Her­den­im­mu­ni­tät‘ auf­ge­baut wird“, betont Ursu­la Köl­ler, Vor­sit­zen­de der Arbeits­grup­pe „Imp­fen“ der Bio­ethik­kom­mis­si­on des Bun­des­kanz­ler­am­tes. So kön­nen zum Bei­spiel Kin­der unter einem Jahr nicht gegen Masern geimpft wer­den. Das ist inso­fern pro­ble­ma­tisch, als bei 20 Pro­zent aller Fäl­le schwe­re Neben­wir­kun­gen und Spät­fol­gen auf­tre­ten. „Die Durch­imp­fungs­ra­te soll­te daher deut­lich gestei­gert wer­den“, so Köl­ler. „Hier muss noch viel Auf­klä­rungs­ar­beit geleis­tet wer­den.“

Gesund­heits­per­so­nal nicht aus­rei­chend geimpft
Men­schen, die im Gesund­heits­be­reich arbei­ten (Health Care Workers), haben auf­grund ihrer Tätig­keit ein höhe­res Risi­ko als ande­re Men­schen, Infek­tio­nen zu bekom­men oder ihre Pati­en­ten anzu­ste­cken. So zeigt eine fran­zö­si­sche Stu­die, dass eine Influ­en­za-Imp­fung des Pfle­ge­per­so­nals in Spi­tä­lern und Senio­ren­hei­men die Ster­be­ra­te um etwa 20 Pro­zent redu­ziert und die Kran­ken­stän­de beim Per­so­nal um 42 Pro­zent senkt. Daten bele­gen auch, dass 23 Pro­zent des Gesund­heits­per­so­nals in einer mil­den Influ­en­za-Sai­son Anti­kör­per gegen den Erre­ger pro­du­zie­ren. Etwa ein Drit­tel von ihnen ent­wi­ckelt aller­dings kei­ne Sym­pto­me und weiß daher gar nicht, dass es Krank­heits­über­trä­ger ist. Für die Über­tra­gung des Erre­gers spie­len sie also eine sehr wich­ti­ge Rol­le.

„Health Care Workers soll­ten bereits zum Ein­stel­lungs­zeit­punkt einen ent­spre­chen­den Immu­ni­täts­le­vel haben“, ist Köl­ler über­zeugt. „Die Rea­li­tät sieht aller­dings anders aus: Die Durch­imp­fungs­ra­ten des Gesund­heits­per­so­nals in Öster­reich sind sehr nied­rig.“ Um die­sen Miss­stand zu behe­ben, gibt es seit 2012 Impf­emp­feh­lun­gen des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums für das Gesund­heits­per­so­nal, die Umset­zung wird jedoch von den ein­zel­nen Trä­gern unter­schied­lich gehand­habt. Bei beson­ders vul­ner­ablen Pati­en­ten­grup­pen (etwa bei stark immun­sup­p­ri­mier­ten Pati­en­ten oder in der Neo­na­to­lo­gie) gibt es sogar eine (juris­ti­sche) Ver­pflich­tung, nur geimpf­tes Per­so­nal ein­zu­set­zen.

Ver­bes­se­run­gen not­wen­dig
„Der­zeit fehlt ein groß­flä­chi­ger nie­der­schwel­li­ger Zugang über das Kin­der­impf­kon­zept hin­aus“ fasst Köl­ler den aktu­el­len Sta­tus zusam­men. „Der regel­mä­ßi­ge Impf­sta­tu­scheck als Teil der Gesun­den­un­ter­su­chung oder ein elek­tro­ni­scher Impf­pass auf der Sozi­al­ver­si­che­rungs­kar­te wären sinn­vol­le Maß­nah­men.“

Rück­fra­ge­hin­weis:
Mag.a Son­ja War­ter, MSc
Fine Facts Health Com­mu­ni­ca­ti­on
Mobil: +43 650 270 39 29
warter@finefacts.at

Kon­takt ÖVIH:
Mag.a Renée Gal­lo-Dani­el
Prä­si­den­tin des Öster­rei­chi­schen Ver­ban­des der Impf­stoff­her­stel­ler
Mobil: +43 664 544 62 90
r.gallo-daniel@web.oevih.at
www.oevih.at

Quellen:
(1) Lemaitre M, et al.: Mortality of Residents: A cluster-randomized trial. J. Am Geriatr. Soc. 2009; 57:1580–1586
(2) Wilde JA, et al.: Effectiveness of influenza vaccine in health care professionals: a randomized trial. JAMA 1999;281(10):908–913 Lester RT et al.: Use of, effectiveness of, and attitudes regarding influenza vaccine among house staff. Infect Control Hosp Epidemiol 2003;24(11):839–844
(3) Elder AG, et al.: Incidence and recall of influenza in a cohort of Glasgow healthcare workers during the 1993–4 epidemic: results of serum testing and questionnaire. BMJ 1996;313(7067):1241–1242