Negativrekord bei FSME-Erkrankungsfällen – Impfen bleibt wichtig

Viele schwere Fälle – regelmäßige Auffrischung der Impfung erforderlich

Wien, 17. März 2021. Über 200 FSME*-Fälle wur­den 2020 in Öster­reich im Spi­tal behan­delt. Das ist ein neu­er Nega­tiv-Rekord. Die Grün­de sind mul­ti­fak­to­ri­ell, nicht zuletzt dürf­te COVID-19 die Men­schen ver­mehrt dazu ver­an­lasst haben, sich im Frei­en auf­zu­hal­ten. Die Durch­imp­fungs­ra­te ist in Öster­reich grund­sätz­lich hoch, den­noch beto­nen Exper­tIn­nen bei einem Pres­se­ge­spräch heu­te, dass nicht auf die regel­mä­ßi­ge Auf­fri­schungs­imp­fung ver­ges­sen wer­den soll­te. Gera­de auch, weil es im Gegen­satz zu COVID-19 kei­ne Her­den­im­mu­ni­tät gibt. Die jähr­li­che FSME-Impf­ak­ti­on läuft bereits. Ein zwei­wö­chi­ger Abstand zu einer etwa­igen COVID-19-Imp­fung ist zu emp­feh­len. Die jähr­li­che Impf­ak­ti­on in den Apo­the­ken ist bereits ange­lau­fen.

Neu­er Nega­tiv­re­kord
209** veri­fi­zier­te Fäl­le von FSME wur­den letz­tes Jahr in Öster­reichs Spi­tä­lern behan­delt. Das ist eine deut­li­che Stei­ge­rung zum Rekord­jahr 2018, in dem 154 Fäl­le ver­zeich­net wur­den. 2020 waren die Erkran­kungs­fäl­le damit auf einem Niveau, das es zuletzt 1987 gege­ben hat. Ähn­lich war die Lage auch in unse­ren Nach­bar­län­dern. „Aller­dings muss man ein­schrän­kend sagen, dass es jedes Jahr zu Schwan­kun­gen bei den FSME-Fall­zah­len kommt“, erläu­tert Dr. Rudolf Schmitz­ber­ger, Lei­ter des Impf­re­fe­rats der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer. Ursa­chen gäbe es meh­re­re. „Dazu gehö­ren sozio­öko­no­mi­sche, kli­ma­ti­sche oder vom Men­schen gemach­te Umwelt­ver­än­de­run­gen, die die Virus­zir­ku­la­ti­on oder die Repro­duk­ti­on von Zecken beein­flus­sen oder auch dazu füh­ren, dass das Expo­si­ti­ons­ri­si­ko steigt. Im letz­ten Jahr gab es bei­spiels­wei­se mehr aus­ge­wach­se­ne Zecken und man kann anneh­men, dass die COVID-19-Maß­nah­men dazu geführt haben, dass sich die Men­schen ver­mehrt im Frei­en auf­ge­hal­ten haben“, so Schmitz­ber­ger. Dazu käme, dass mehr als sonst Urlaub in Öster­reich gemacht wur­de.

Zwei­gip­fel­i­ger Ver­lauf
„Die klas­si­sche FSME-Erkran­kung ist durch einen typi­scher­wei­se zwei-gip­fel­i­gen Ver­lauf gekenn­zeich­net“, erklärt Priv.Doz. Bet­ti­na Pfaus­ler von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Neu­ro­lo­gie an der Med­Uni Inns­bruck. „Nach einer Inku­ba­ti­ons­zeit von zir­ka 10 Tagen kommt es in der ers­ten Pha­se der Erkran­kung zu Sym­pto­men ähn­lich einer Grip­pe mit Fie­ber, Schnup­fen, Glie­der- und Mus­kel­schmer­zen. Die­se Sym­pto­me kön­nen meh­re­re Tage dau­ern. Bei zir­ka 50 Pro­zent ist die Infek­ti­on damit erle­digt, das heißt, das Immun­sys­tem hat die Viren erfolg­reich bekämpft.“ Die ande­ren 50 Pro­zent hät­ten weni­ger Glück, so die Neu­ro­lo­gin. „Sie erle­ben nach ein paar Tagen ohne Sym­pto­me eine zwei­te Pha­se, in der die Viren Gehirn und Rücken­mark infi­zie­ren. Wie bei COVID-19 begüns­ti­gen Alter und Kom­or­bi­di­tä­ten schwe­re Ver­läu­fe, aber auch jun­ge, gesun­de Per­so­nen kön­nen schwer erkran­ken.“

Bei 105 regis­trier­ten Pati­en­tIn­nen (49 %) wur­de 2020 ein so schwe­rer Ver­lauf fest­ge­stellt, dass das Zen­tral­ner­ven­sys­tem (ZNS) stark in Mit­lei­den­schaft gezo­gen wurde.1 Grund­sätz­lich gäbe es drei Ver­laufs­for­men bei Pati­en­tIn­nen, die die­ses neu­ro­in­va­si­ve Krank­heits­sta­di­um errei­chen, erklärt Pfaus­ler. Wäh­rend etwa die Hälf­te der Betrof­fe­nen eine Gehirn­haut­ent­zün­dung habe, sich zwar sehr krank füh­le und zwei bis drei Wochen im Spi­tal behan­delt wer­den müs­se, danach aber wie­der voll­stän­dig gene­sen sei, käme es bei einem Teil der Pati­en­tIn­nen der bei­den ande­ren Ver­laufs­for­men auch zu Lang­zeit­fol­gen. Pfaus­ler: „Bei etwa 40 % Pati­en­tIn­nen im neu­ro­in­va­si­ven Krank­heits­sta­di­um kommt es zu einer Ence­pha­li­tis, also einer Ent­zün­dung des Gehirns. Die Erkrank­ten brau­chen meist über meh­re­re Wochen eine Behand­lung in einer Inten­siv­sta­ti­on und anschlie­ßend einen län­ge­ren Reha­bi­li­ta­ti­ons­auf­ent­halt. Blei­ben­de Fol­ge­schä­den wie Kon­zen­tra­ti­ons- und Gedächt­nis­stö­run­gen wer­den bei zir­ka 20% gese­hen.“ Noch schlim­mer sei es bei Per­so­nen mit einer Ent­zün­dung des Rücken­marks und des Hirn­stamms. Die­se hät­ten Sym­pto­me ähn­lich der frü­he­ren Kin­der­läh­mung, daher auch der Name Polio-like. „Die Sterb­lich­keit liegt bei 30 % und eine voll­stän­di­ge Erho­lung tritt nur bei 20 Pro­zent ein“, warnt die Neu­ro­lo­gin vor einer Unter­schät­zung der Krank­heit und betont: „Beson­ders am Wochen­en­de ist die Gefahr einer Infek­ti­on mit dem FSME-Virus erhöht, da man sich häu­fig bei Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten im Frei­en den Zecken expo­niert. Daher gilt: Imp­fen, imp­fen, imp­fen!“

Nicht auf ande­re ver­las­sen
„Die hohen FSME-Fall­zah­len 2020 bewei­sen, dass man bei der FSME-Imp­fung nicht nach­läs­sig wer­den darf“, warnt auch Univ. Prof. Dr. Her­wig Kol­la­rit­sch, Fach­arzt für Spe­zi­fi­sche Pro­phy­la­xe und Tro­pen­me­di­zin. „Im Unter­schied zur COVID-19-Imp­fung nützt es näm­lich auch nichts, wenn die ande­ren geimpft sind, da eine Her­den­im­mu­ni­tät auf­grund der Über­tra­gung von der Zecke auf den Men­schen nicht statt­fin­den kann.“ Zu beach­ten sei außer­dem, dass sich das Impf­in­ter­vall mit dem Alter ver­kür­ze. „Das hat einen ein­fa­chen Grund: Älte­re Men­schen haben nach der Imp­fung eine gerin­ge­re Immun­ant­wort als jün­ge­re. Das bedeu­tet, dass die­se beson­ders dar­auf ach­ten müs­sen, das Impf­in­ter­vall kor­rekt ein­zu­hal­ten“, stellt Kol­la­rit­sch fest.

FSME-Impf­ak­ti­on 2021 bis 31.8.2021
Auch heu­er gibt es eine FSME-Impf­ak­ti­on, die noch bis Ende August dau­ert. „Die Kran­ken­kas­sen gewäh­ren Zuschüs­se, die beim Kauf des Impf­stoffs in der Apo­the­ke sofort abge­zo­gen wer­den“, berich­tet Dr. Ger­hard Kobin­ger, Prä­si­di­ums­mit­glied der Öster­rei­chi­schen Apo­the­ker­kam­mer. Die Impf­stof­fe für Erwach­se­ne kos­ten in die­sem Zeit­raum um rund 14 Euro, jene für Kin­der um rund 15 Euro weni­ger. Zusätz­lich gäbe es Zuschüs­se der diver­sen Kas­sen.

„Wer che­cken möch­te, ob er oder sie den FSME-Impf­schutz auf­fri­schen las­sen muss oder nicht oder ob ande­re Imp­fun­gen anste­hen, kann dies bei einem Bera­tungs­ge­spräch in der Apo­the­ke oder über die Apo-App „Apo­the­ken und Medi­ka­men­te“ der Öster­rei­chi­schen Apo­the­ker­kam­mer tun“, zeigt Kobin­ger die unter­schied­li­chen Mög­lich­kei­ten auf. Sämt­li­che Impf­emp­feh­lun­gen gemäß Impf­plan des Sozi­al­mi­nis­te­ri­ums sei­en über die kos­ten­lo­se App abruf­bar.

Abstand zur COVID-19-Imp­fung
Mitt­ler­wei­le gibt es auch eine Vor­gangs­wei­se in Bezug auf eine eben­falls anste­hen­de COVID-19-Imp­fung. „Eine gleich­zei­ti­ge Ver­ab­rei­chung einer der der­zei­ti­gen COVID-Imp­fun­gen mit ande­ren Impf­stof­fen ist mög­lich, daher auch für die FSME-Imp­fung zuläs­sig“, erklärt Impf­ex­per­te Kol­la­rit­sch. „Ein Abstand von zwei Wochen zu ande­ren inak­ti­vier­ten Imp­fun­gen und von vier Wochen zu Lebend­imp­fun­gen ist jedoch zu emp­feh­len, um

Impf­re­ak­tio­nen der COVID-Impf­stof­fe von ande­ren Rou­ti­ne­imp­fun­gen unter­schei­den zu kön­nen.“ Eine immu­no­lo­gi­sche Über­las­tung sei aus­zu­schlie­ßen. Prak­tisch wür­de eine gleich­zei­ti­ge Imp­fung ver­mut­lich ohne­hin nicht statt­fin­den, da COVID-19-Imp­fun­gen außer­halb des ärzt­li­chen Rou­ti­ne­be­triebs statt­fän­den.

Pro­duk­ti­on läuft auf vol­len Tou­ren
Damit die­se und ande­re Grup­pen geimpft wer­den kön­nen, braucht es natür­lich aus­rei­chend Impf­stof­fe. Die­se wer­den nun suk­zes­si­ve gelie­fert. „Als Impf­stoff­her­stel­ler haben wir bereits zu Beginn der Impf­stoff­ent­wick­lung gegen COVID-19 damit begon­nen, Ein­kauf, Logis­tik und Pro­duk­ti­on zu pla­nen, ohne zu wis­sen, ob es je zu einer Zulas­sung kom­men wür­de, betont Mag.a Renée Gal­lo-Dani­el, Prä­si­den­tin des Öster­rei­chi­schen Ver­ban­des der Impf­stoff­her­stel­ler. „Die Pro­duk­ti­on von Impf­stof­fen ist sehr kom­plex, braucht viel Pla­nung und Abstim­mung mit Behör­den und Zulie­fe­rern. Roh­stof­fe und ande­re Mate­ria­li­en müs­sen in aus­rei­chen­der Men­ge zur Ver­fü­gung ste­hen, um die Pro­duk­tio­nen über­haupt star­ten zu kön­nen. Für den Trans­port der Impf­stoff­vor­stu­fen und des End­pro­dukts braucht es eine aus­ge­klü­gel­te Logis­tik.“ Außer­dem sei jeder Schritt von genau­en Qua­li­täts­kon­trol­len beglei­tet. Zu beden­ken sei auch, dass die Errich­tung von neu­en Pro­duk­ti­ons­an­la­gen eher nicht in Fra­ge käme, da es nor­ma­ler­wei­se fünf bis zehn Jah­re daue­re, um eine Impf­stoff­pro­duk­ti­ons­an­la­ge zu errich­ten, zu vali­die­ren und zu regis­trie­ren, so Gal­lo-Dani­el und betont: „Eine Aus­wei­tung der Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tät ist daher von Inves­ti­tio­nen in den Aus­bau oder die Adap­tie­rung von bestehen­den Anla­gen, einer Zusam­men­ar­beit mit Auf­trags­her­stel­lern oder ande­ren Unter­neh­men abhän­gig. Dar­an arbei­ten wir der­zeit mit Hoch­druck. Unser Ziel ist nach wie vor, so schnell wie mög­lich Impf­stof­fe für alle, die es wol­len, zur Ver­fü­gung zu stel­len.“

*Früh­som­mer-Menin­go­en­ze­pha­li­tis
**215 wur­den sta­tio­när auf­ge­nom­men, 6 davon nicht veri­fi­ziert

Refe­ren­zen:

Zen­trum für Viro­lo­gie, Med­Uni Wien, Virus­epi­de­mio­lo­gi­sche Infor­ma­ti­on Nr. 02/21

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