Pres­se­mit­tei­lung vom 16.01.2019

Notwendige Maßnahmen zur Erhöhung der Durchimpfungsraten

Mehr Daten, Aufklärungskampagnen, bessere Bedarfsplanung und einheitliche europäische Produkt- und Verpackungsvorschriften notwendig

Wien, 16. Jän­ner 2019 – Eine Lis­te mit EU-Emp­feh­lun­gen zur Ver­bes­se­rung des Impf­we­sens liegt seit dem letz­ten Gesund­heits­gip­fel im Dezem­ber auf dem Tisch. Sie zeigt klar auf, wo die aktu­el­len Her­aus­for­de­run­gen zu suchen sind und was dage­gen getan wer­den kann. Zu den der­zei­ti­gen Schwach­punk­ten gehö­ren unter ande­rem eine unge­nü­gen­de Daten­la­ge, eine um sich grei­fen­den Impf­mü­dig­keit gepaart mit diver­sen „Fake News“ und kom­ple­xen Regu­la­to­ri­en rund um die Impf­stoff­dis­tri­bu­ti­on, und ‑pro­duk­ti­on. In Öster­reich kom­men noch „natio­na­le“ Beson­der­hei­ten wie zB unein­heit­li­che Rege­lun­gen beim Schulimpf­we­sen in den Bun­des­län­dern dazu. Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­ge kamen nun von Vac­ci­nes Euro­pe, dem euro­päi­schen Dach­ver­band der Impf­stoff­her­stel­ler, und sei­nem öster­rei­chi­schen Pen­dant, dem ÖVIH, hei­mi­schen Eltern­ver­tre­tern und der hie­si­gen Apo­the­ker­kam­mer bei einem Pres­se­ge­spräch in Wien.

Heu­te kön­nen knapp 30 Krank­hei­ten durch Imp­fun­gen ver­hin­dert wer­den; Kin­der­läh­mung und Pocken gel­ten in Euro­pa mitt­ler­wei­le als aus­ge­rot­tet. Den­noch sind eigent­lich über­wun­den geglaub­te Krank­hei­ten wie die Masern wie­der zurück­ge­kehrt. „Die Ursa­chen dafür sind viel­fäl­tig und auf man­geln­des Ver­trau­en in die Sicher­heit und Effek­ti­vi­tät von Imp­fun­gen, Bequem­lich­keit und eine fal­sche Ein­schät­zung von Krank­heits­ri­si­ken zurück­zu­füh­ren“, erläu­tert Mag.a Hei­ke Gal­braith, Chair­per­son der Working Group Exter­nal Affairs von Vac­ci­nes Euro­pe. Von der öffent­li­chen Hand wird trotz­dem ver­gleichs­wei­se wenig Geld in die Hand genom­men, um das Imp­fen zu for­cie­ren. „Nur 0,5 Pro­zent der Gesund­heits­bud­gets man­cher EU-Staa­ten wer­den für Imp­fun­gen aus­ge­ge­ben“, so Gal­braith.

Ers­ter Schritt: Daten­ba­sis schaf­fen
„Wie in den EU-Emp­feh­lun­gen dar­ge­legt, ist es auch in Öster­reich drin­gend not­wen­dig, genaue­re Daten zu den Durch­imp­fungs­ra­ten zu erhe­ben, um eine Grund­la­ge für dar­auf auf­set­zen­de Maß­nah­men zu haben“, erklärt Mag.a Renée Gal­lo-Dani­el, Prä­si­den­tin des Öster­rei­chi­schen Ver­ban­des der Impf­stoff­her­stel­ler. Der­zeit gebe es trotz Kin­der­impf­kon­zept und Impf­plan weder bei Kin­dern noch bei Erwach­se­nen detail­lier­te Zah­len zu den Durch­imp­fungs­ra­ten. „Neben vali­den Daten zu Durch­imp­fungs­ra­ten bei Kin­dern brau­chen wir aber eine Sta­tus quo-Erhe­bung über alle Alters­grup­pen. Und zwar nicht nur ein­ma­lig, son­dern in regel­mä­ßi­gen Abstän­den, um Ver­än­de­run­gen mes­sen und den Erfolg der gesetz­ten Maß­nah­men eva­lu­ie­ren zu kön­nen.“
Ent­schei­dend sei die Ein­füh­rung eines elek­tro­ni­schen Impf­pas­ses, wie auch auf EU-Ebe­ne gefor­dert, betont die ÖVIH-Prä­si­den­tin. In Öster­reich wer­den ab 2020 ers­te Pilot­pro­jek­te gestar­tet, vor­erst nur für Kin­der. „Aller­dings ist auch für Erwach­se­ne wich­tig, ihren aktu­el­len Impf­sta­tus zu ken­nen. Der ÖVIH setzt sich daher für eine Aus­wei­tung des e‑Impfpasses auf Erwach­se­ne ein, sodass die­ser zum Bei­spiel im Rah­men von Arzt­be­su­chen regel­mä­ßig über­prüft wer­den kann“, ergänzt Gal­lo-Dani­el. Bereits jetzt kön­nen die Öster­rei­cher auf die „Apo-App Apo­the­ken und Medi­ka­men­te“ der Öster­rei­chi­schen Apo­the­ker­kam­mer zurück­grei­fen. „Mit ihr las­sen sich unter ande­rem Imp­fun­gen erfas­sen, außer­dem erin­nert sie recht­zei­tig an not­wen­di­ge Auf­fri­schun­gen“, berich­tet Priv.-Doz. Mag. DDr. Phil­ipp Sai­ko, Prä­si­dent der Lan­des­ge­schäfts­stel­le Wien der Öster­rei­chi­schen Apo­the­ker­kam­mer.

Fake News ver­un­si­chern Eltern
In Öster­reich kann jedes Kind bis zum voll­ende­ten 14. Lebens­jahr unab­hän­gig vom Ein­kom­mens­sta­tus der Eltern die wich­tigs­ten Imp­fun­gen gra­tis erhal­ten. „Die­se sehr wert­vol­le Errun­gen­schaft wird lei­der in den letz­ten Jah­ren all­zu oft in Fra­ge gestellt“, berich­tet Dr.in Susan­ne Schmid, Fach­ärz­tin für Inne­re Medi­zin und Prä­si­den­tin des Bun­des­el­tern­ver­bands (BEV). „Wohl­mei­nen­de Eltern wol­len nur das Bes­te für ihr Kind: Sie ver­su­chen, alles beson­ders rich­tig zu machen. Im Inter­net wer­den sie lau­fend mit ver­meint­li­chen Fak­ten kon­fron­tiert, die sie als Lai­en nicht von tat­säch­li­chen Fak­ten unter­schei­den kön­nen.“ Schul­ärz­te hät­ten daher eine Schlüs­sel­rol­le in der Auf­klä­rung, gera­de bei über 14-jäh­ri­gen, da Jugend­li­che ab die­sem Alter selbst über Imp­fun­gen ent­schei­den kön­nen, betont die Exper­tin, selbst drei­fa­che Mut­ter. Schulimpf­ak­tio­nen sei­en von beson­de­rer Bedeu­tung. Das der­zei­ti­ge Sys­tem funk­tio­nie­re aber nicht ein­wand­frei und müs­se daher bei der Neu­or­ga­ni­sa­ti­on des Schul­arzt­we­sens drin­gend ver­bes­sert wer­den.
Schmid for­dert außer­dem Kon­se­quen­zen für nicht geimpf­te Kin­der in Gemein­schafts­ein­rich­tun­gen wie Kin­der­gär­ten und Schu­len, betont aber: „Zwangs­maß­nah­men brin­gen nichts, doch das Sys­tem soll­te zukünf­tig so auf­ge­baut sein, dass Imp­fen ein­fach und schnell mög­lich und Nicht-Imp­fen kom­pli­ziert und hür­den­reich ist. Imp­fen soll­te so selbst­ver­ständ­lich wer­den wie das Angur­ten im Auto, schließ­lich ist Imp­fen eine Art ‚Sicher­heits­gurt für Infek­ti­ons­krank­hei­ten‘.“

Erwach­se­nen­imp­fung unter­stüt­zen
„Sind die Gra­tis-Kin­der­imp­fun­gen ein­mal abge­schlos­sen, gibt es heu­te in der Grup­pe der Erwach­se­nen fast gar kei­ne flä­chen­de­cken­den Maß­nah­men mehr, um das Imp­fen zu för­dern“, bemän­gelt ÖVIH-Prä­si­den­tin Gal­lo-Dani­el. Pro­ak­ti­ve Auf­klä­rung von der öffent­li­chen Hand gebe es kaum – etwas, das auch auf EU-Ebe­ne bemän­gelt wird, wie in den aktu­el­len Emp­feh­lun­gen nach­zu­le­sen ist. „Um die Impf­be­reit­schaft der Bevöl­ke­rung zu stei­gern, könn­te es aber gemein­sa­me und aus­ge­wo­ge­ne Kam­pa­gnen zu den Impf­mög­lich­kei­ten von allen Betei­lig­ten des Gesund­heits­we­sens geben – idea­ler­wei­se ver­bun­den mit einer finan­zi­el­len Unter­stüt­zung für die Impf­wil­li­gen“, for­dert Gal­lo-Dani­el. Eine Idee, die in ande­ren Län­dern schon zu stei­gen­den Impf­ra­ten geführt hat, sind Imp­fun­gen direkt in den Apo­the­ken. Apo­the­ker­kam­mer­prä­si­dent Sai­ko: „Soll­ten die gesetz­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen dafür geschaf­fen wer­den, wären auch bei uns Imp­fun­gen in der Apo­the­ke denk­bar – durch­ge­führt von den Apo­the­ke­rin­nen und Apo­the­kern.“

Impf­stoff­eng­päs­se ver­mei­den
Neben Maß­nah­men zur Erhö­hung der Impf­be­reit­schaft sei aber auch die Logis­tik nicht zu unter­schät­zen, erläu­tert ÖVIH-Prä­si­den­tin Gal­lo-Dani­el. In Öster­reich brau­che es eine Bedarfs­pla­nung für alle wich­ti­gen und im Impf­plan emp­foh­le­nen Impf­stof­fe. Der­zeit gebe es nur für Impf­stoff­men­gen, die im Rah­men des Kin­der­impf­kon­zep­tes abge­ge­ben wer­den, eine genaue Pla­nung. Es kön­ne jeder­zeit zu Lie­fer­eng­päs­sen bei allen ande­ren Imp­fun­gen kom­men, wenn der Bedarf und die Nach­fra­ge uner­war­tet stei­gen wür­den. „Um das zu ver­mei­den, braucht es eine früh­zei­ti­ge­re Zusam­men­ar­beit zwi­schen Behör­den und Indus­trie als bis­her und ver­bes­ser­te Rege­lun­gen hin­sicht­lich fixer Abnah­me­men­gen“, betont Gal­lo- Dani­el. Gal­braith ergänzt: „Außer­dem gibt es auf euro­päi­scher Ebe­ne ein (sehr) hohes Maß an regu­la­to­ri­schen Anfor­de­run­gen, mehr­fa­che Tests und Char­gen­frei­ga­ben und unter­schied­li­che län­der­spe­zi­fi­sche Vor­ga­ben bei den Ver­pa­ckun­gen. Das erschwert eine kurz­fris­ti­ge Anpas­sung an einen erhöh­ten Impf­stoff­be­darf und die schnel­le Wei­ter­ga­be von Impf­stof­fen von einem Land zum ande­ren. Vac­ci­nes Euro­pe for­dert daher eine Ver­ein­fa­chung bzw. Har­mo­ni­sie­rung der spe­zi­fi­schen natio­na­len und regio­na­len Pro­dukt- und Ver­pa­ckungs­vor­schrif­ten sowie der auf­wen­di­gen Test­ver­fah­ren.“
Sie betont: „Die wich­tigs­te Rol­le der Impf­stoff­in­dus­trie besteht dar­in, wei­ter­hin siche­re und effek­ti­ve Impf­stof­fe in höchs­ter Qua­li­tät zu ent­wi­ckeln und zu pro­du­zie­ren und in Zusam­men­ar­beit mit allen Behör­den und Orga­ni­sa­tio­nen eine nach­hal­ti­ge Ver­sor­gung mit Impf­stof­fen in Euro­pa sicher­zu­stel­len.“

Rück­fra­ge­hin­weis:
Mag.a Uta Mül­ler-Car­stan­jen
Fine Facts Health Com­mu­ni­ca­ti­on
Mobil: +43 664 515 30 40
mueller-carstanjen@finefacts.at