Pneumokokken-Jahresbericht: Auch 2020 hunderte invasive Erkrankungsfälle

Ein Großteil der gefundenen Serotypen wäre durch die verfügbaren Impfstoffe abgedeckt gewesen

Wien, 20. Sep­tem­ber 2021. Mehr als 300 inva­si­ve Pneu­mo­kok­ken-Erkran­kun­gen wur­den 2020 gemel­det. Das geht aus dem Jah­res­be­richt der natio­na­len Refe­renz­zen­tra­le für Pneu­mo­kok­ken her­vor. Auf­grund der COVID-Schutz­maß­nah­men sind das zwar deut­lich weni­ger als in den Jah­ren davor, bedeu­ten aber ver­mut­lich kei­ne Trend­um­kehr. Ähn­lich vie­le Fäl­le gab es zuletzt 2013, und zwar ohne Hygie­ne­maß­nah­men. Schutz­imp­fun­gen exis­tie­ren seit Jah­ren. Die­se decken die häu­figs­ten Sub­ty­pen ab und kön­nen so in den meis­ten Fäl­len vor schwe­ren Erkran­kun­gen wie Lun­gen­ent­zün­dun­gen oder Blut­ver­gif­tung schüt­zen. Aller­dings sind vie­le Men­schen – auch und gera­de in Risi­ko­grup­pen – nach wie vor nicht geimpft. Grund­sätz­lich kann die Pneu­mo­kok­ken-Imp­fung das gan­ze Jahr über durch­ge­führt wer­den, beson­ders sinn­voll ist sie jedoch vor der kal­ten Jah­res­zeit, da in die­ser die meis­ten Infek­tio­nen auf­tre­ten.

Älte­re Per­so­nen und Babys wie­der haupt­be­trof­fen

Das natio­na­le Sur­veil­lan­ce­sys­tem für inva­si­ve Pneu­mo­kok­ken-Erkran­kun­gen (IPE) hat 2020 356 Fäl­le erfasst, 19 Per­so­nen sind an der Erkran­kung ver­stor­ben. Beson­ders häu­fig erkrankt waren Per­so­nen höhe­ren Alters, ins­be­son­de­re Men­schen über 80 Jah­re. Eben­falls oft betrof­fen waren Kin­der unter einem Jahr. Die­se erkrank­ten gleich häu­fig wie Per­so­nen zwi­schen 65 und 74 (9,6 Fäl­le pro 100.000 Per­so­nen). Die Inzi­denz von Män­nern war etwas höher als jene von Frau­en (5,1 ver­sus 3,0 pro 100.000 Per­so­nen).

Zum Ver­gleich: 2019 wur­den 615 Fäl­le regis­triert, 2013 bezie­hungs­wei­se 2014 waren die Fall­zah­len mit 355 und 323 zum letz­ten Mal ähn­lich hoch wie 2020, damals natür­lich ohne COVID-Schutz­maß­nah­men. Im April 2020, also im ers­ten „Lock­down“ wur­den 20 % weni­ger Fäl­le als im Vor­jahr gemel­det, ins­ge­samt gin­gen die Fall­zah­len um 42 % zurück. „Der Trend nach oben dürf­te lei­der trotz­dem nicht gebro­chen sein“, befürch­tet Ursu­la Kun­ze vom Zen­trum für Public Health an der Med­Uni Wien. „Es ist sogar zu erwar­ten, dass wir in den nächs­ten Jah­ren ähn­lich vie­le oder sogar mehr Fäl­le von inva­si­ven Pneu­mo­kok­ken-Erkran­kun­gen sehen wer­den als 2019, wenn sich nicht mehr Men­schen, beson­ders Risi­ko­grup­pen und Älte­re, dage­gen imp­fen las­sen.

Gefähr­li­che Bak­te­ri­en

„Pneu­mo­kok­ken-Erkran­kun­gen wer­den immer noch unter­schätzt“, meint die Exper­tin. „Im Kran­ken­haus sehen wir ja nur die Spit­ze des Eis­bergs. Vie­le jener Lun­gen­ent­zün­dun­gen, die glück­li­cher­wei­se noch von der* vom Hausärzt*in behan­delt wer­den kön­nen, gehen eben­falls auf Pneu­mo­kok­ken zurück und wären in vie­len Fäl­len durch Imp­fun­gen ver­meid­bar. Lei­der ist die Durch­imp­fungs­ra­te, die der­zeit gera­de ein­mal im nied­ri­gen zwei­stel­li­gen Bereich liegt, viel zu gering.“

Im Unter­schied zu SARS-CoV2 oder Influ­en­za han­delt es sich bei den Pneu­mo­kok­ken um Bak­te­ri­en. Sie wer­den durch Tröpf­chen von Mensch zu Mensch über­tra­gen. Ins­ge­samt sind knapp 100 Pneu­mo­kok­ken-Sero­ty­pen, also Unter­grup­pen, bekannt.

Vie­le Erwach­se­ne, aber vor allem Kin­der sind mit Pneu­mo­kok­ken besie­delt, ohne krank zu sein. Wenn sie aber erkran­ken, ist eine The­ra­pie mit Anti­bio­ti­ka erfor­der­lich. „Anti­bio­ti­ka hel­fen zwar in den meis­ten Fäl­len“, so Kun­ze, „aber man darf nicht ver­ges­sen, dass sie nicht sofort wir­ken und daher manch­mal ein Fort­schrei­ten der Erkran­kung nicht ver­hin­dert wer­den kann. Außer­dem kommt es immer wie­der zu Resis­ten­zen gegen die ein­ge­setz­ten Anti­bio­ti­ka.“ Bes­ser sei es, es erst gar nicht so weit kom­men zu las­sen und sich recht­zei­tig gegen Pneu­mo­kok­ken immu­ni­sie­ren zu las­sen.

Groß­teil der nach­ge­wie­se­nen Sero­ty­pen in Impf­stof­fen ent­hal­ten

2020 konn­ten 36 ver­schie­de­nen Pneu­mo­kok­ken-Sero­ty­pen iden­ti­fi­ziert wer­den. Am häu­figs­ten gefun­den wur­den die Sero­ty­pen 3, 19A und 8. Die­se sind im Erwach­se­nen-Impf­sche­ma abge­deckt. Eben­so wie vie­le wei­te­re, weni­ger häu­fig auf­tre­ten­de Sero­ty­pen. Ins­ge­samt waren 2020 mehr als zwei Drit­tel der Erkran­kungs­fäl­le mit iden­ti­fi­zier­ten Sero­ty­pen auf in Impf­stof­fen ent­hal­te­nen Sero­ty­pen zurück­zu­füh­ren.

Imp­fung für Per­so­nen ab 60 und Risi­ko­grup­pen emp­foh­len

Im öster­rei­chi­schen Impf­plan wird die Pneu­mo­kok­ken-Imp­fung allen Per­so­nen ab 60 sowie Risi­ko­per­so­nen jeden Alters wie zum Bei­spiel Per­so­nen mit Herz-Kreis­lauf-Erkran­kun­gen, Erkran­kun­gen der Atem­we­ge oder Dia­be­tes mel­li­tus emp­foh­len. Not­wen­dig sind zwei Imp­fun­gen mit ver­schie­de­nen Impf­stof­fen.

Kos­ten­freie Imp­fung für Babys und Klein­kin­der

2020 sind auch acht Kin­der unter einem Jahr und wei­te­re drei Kin­der unter zwei Jah­ren erkrankt. Ähn­lich wie bei Erwach­se­nen lei­den auch sie häu­fig an Lun­gen­ent­zün­dun­gen, bei ihnen kön­nen sich Pneu­mo­kok­ken-Infek­tio­nen aber auch in Form von Mit­tel­ohr­ent­zün­dun­gen äußern. Um dies zu ver­hin­dern bezie­hungs­wei­se um Anste­ckun­gen zu ver­mei­den, kön­nen und soll­ten Kin­der bereits ab dem drit­ten Lebens­mo­nat geimpft wer­den. Die Imp­fung ist in die­sem Fall drei­tei­lig und bis zum fünf­ten Lebens­jahr gra­tis.

Refe­ren­zen:

Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Sozia­les, Gesund­heit, Pfle­ge und Kon­su­men­ten­schutz, Natio­na­le Refe­renz­zen­tra­le für Pneu­mo­kok­ken, Jah­res­be­richt 2020

Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Sozia­les, Gesund­heit, Pfle­ge und Kon­su­men­ten­schutz, Öster­rei­chi­scher Impf­plan 2021, Jän­ner 2021

Rück­fra­ge­hin­weis:

Mag.a Uta Mül­ler-Car­stan­jen
FINE FACTS Health Com­mu­ni­ca­ti­on
Mobil: +43 664 515 30 40
mueller-carstanjen@finefacts.at
www.finefacts.at
www.oevih.at