Schulimpfungen jetzt nachholen!

Enge Zusammenarbeit zwischen Schulen, Impfstellen und Arztordinationen notwendig

Wien, 21. Sep­tem­ber 2021. In den letz­ten 1,5 Jah­ren gab es prak­tisch nur einen Fokus im Gesund­heits­be­reich: Die COVID-19-Pan­de­mie. Damit ein­her­ge­hend ist auch das The­ma Imp­fun­gen so inten­siv wie noch nie dis­ku­tiert wor­den. Das gilt aller­dings nicht für die Rou­ti­ne-Imp­fun­gen, die in der gesam­ten Debat­te nicht ein­mal eine Neben­rol­le spie­len. Das muss sich drin­gend ändern, spe­zi­ell bei Imp­fun­gen im Pflicht­schul­al­ter (4‑fach-Imp­fung gegen Diph­the­rie, Teta­nus, Keuch­hus­ten und Kin­der­läh­mung sowie Imp­fun­gen gegen Hepa­ti­tis B, HPV und Menin­go­kok­ken ACWY), von denen in die­ser Zeit ein gro­ßer Teil ent­fal­len ist. Wer­den die­se nicht rasch nach­ge­holt bezie­hungs­wei­se der Regel­be­trieb bei den ent­spre­chen­den Jahr­gän­gen wie­der­her­ge­stellt, dro­hen nicht nur das Wie­der­auf­flam­men manch fast ver­ges­se­ner Krank­heit, son­dern auch lang­fris­ti­ge Fol­ge­schä­den. Kurz­fris­tig kann dies nur durch eine gute Zusam­men­ar­beit zwi­schen Schu­len, Impf­stel­len und Ärzt*innen gelin­gen, lang­fris­tig braucht es eine zen­tra­le Steue­rung mit­tels e‑Impfpass inklu­si­ve Anbin­dung an die elek­tro­ni­sche Gesund­heits­ak­te.

Inter­na­tio­na­le War­nun­gen

„WHO, UNICEF und GAVI haben bereits dar­auf auf­merk­sam gemacht, dass auf­grund des Aus­set­zens von Impf­kam­pa­gnen wäh­rend der Pan­de­mie min­des­tens 80 Mil­lio­nen Kin­der unter einem Jahr Gefahr lau­fen, Krank­hei­ten wie Diph­the­rie, Masern oder Polio zu erleiden1“, berich­tet Mag.a Renée Gal­lo-Dani­el, Prä­si­den­tin des Öster­rei­chi­schen Ver­ban­des der Impf­stoff­her­stel­ler (ÖVIH). Der Grund sei ein­fach: Im Fokus der Auf­merk­sam­keit war aus­schließ­lich COVID-19 – egal ob von Regie­run­gen, Behör­den, Medienvertreter*innen, Gesund­heits­per­so­nal, Lai­en oder expo­nier­ter Bevöl­ke­rung. Dar­aus resul­tie­rend sei­en unter ande­rem Rou­ti­ne­imp­fun­gen teil­wei­se aus­ge­setzt, Schu­len geschlos­sen und Impf­stof­fe weder bestellt noch ver­ab­reicht wor­den.

Vie­le aus­ge­fal­le­ne Imp­fun­gen im Pflicht­schul­al­ter

„In den Mona­ten Febru­ar bis Novem­ber 2020 wur­den nur 70 % der Impf­stof­fe für die Vier­fach­imp­fung (Diph­the­rie-Teta­nus-Keuch­hus­ten-Polio), 39 % der Menin­go­kok­ken-ACWY-Impf­stof­fe, 45 % der HPV-Impf­stof­fe und 40 % der Hepa­ti­tis-Impf­stof­fe aus dem Gra­tis-Kin­der­impf­kon­zept abge­ru­fen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Karl Zwi­au­er, Kin­der­arzt und Mit­glied des Natio­na­len Impf­gre­mi­ums. „Nach allem was wir wis­sen, scheint es bis­her auch nicht so zu sein, dass die ver­säum­ten Imp­fun­gen bei nie­der­ge­las­se­nen Ärzt*innen nach­ge­holt wor­den wären“, so Zwi­au­er wei­ter.

„Die­se Pro­ble­ma­tik muss man auch vor dem Hin­ter­grund der der­zeit stei­gen­den Coro­na-Infek­tio­nen vor allem bei jün­ge­ren Men­schen betrach­ten,“ ergänzt ao. Univ.-Prof. Dr. Tho­mas Sze­ke­res, PhD, Prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer. „Seit Schul- und Herbst­be­ginn ist eine wei­te­re Ver­schär­fung der Coro­na-Situa­ti­on ein­ge­tre­ten. Für Kin­der unter zwölf Jah­ren gibt es noch kei­ne zuge­las­se­ne Schutz­imp­fung. Um Mehr­fa­ch­er­kran­kun­gen der Kin­der im Schul­pflicht­al­ter zu ver­hin­dern, muss alles dar­an­ge­setzt wer­den, die im öster­rei­chi­schen Impf­plan vor­ge­ge­be­nen Schutz­imp­fun­gen so rasch wie mög­lich nach­zu­ho­len bezie­hungs­wei­se die lau­fen­den Jahr­gän­ge wie vor­ge­se­hen kon­se­quent zu imp­fen.“

Ver­säum­te Imp­fun­gen nach­ho­len

„Wäh­rend die Kleink­ind­imp­fun­gen durch Catch-up-Pro­gram­me prak­tisch wie­der auf­ge­holt wur­den, gibt es bei den Imp­fun­gen im Pflicht­schul­al­ter noch gro­ßen Nach­hol­be­darf“, erklärt Prim. Univ.-Prof. Dr. Rein­hold Kerbl, Gene­ral­se­kre­tär der Öster­rei­chi­schen Gesell­schaft für Kin­der- und Jugend­heil­kun­de (ÖGKJ). „Und auch kei­nen ein­heit­li­chen Plan, wie die­se so schnell wie mög­lich durch­ge­führt wer­den kön­nen. Da Imp­fen in Öster­reich Län­der­sa­che ist, setzt hier jedes Land ande­re Schrit­te. Wich­tig wären eine Erfas­sung der feh­len­den Imp­fun­gen pro Kind/Klasse und das schnellst­mög­li­che Nach­ho­len die­ser Imp­fun­gen. Der* die Schulärzt*in könn­te bei­spiels­wei­se die feh­len­den Imp­fun­gen doku­men­tie­ren und dar­über infor­mie­ren, wo sie aktu­ell durch­ge­führt wer­den kön­nen. Das kann im betref­fen­den Bun­des­land er* sie selbst sein, ein*e Amtsärzt*in, eine öffent­li­che Impf­stel­le oder ein*e niedergelassene*r Kinderärzt*in bezie­hungs­wei­se ein*e Hausärzt*in. Am ein­fachs­ten wäre dann, die Imp­fun­gen in der Schu­le nach­zu­ho­len.“

Auch die Eltern sei­en gefor­dert, den Impf­sta­tus ihrer Kin­der im Auge zu behal­ten und gemein­sam mit Kinderärzt*innen und Hausärzt*innen etwa­ige ver­pass­te Imp­fun­gen zu iden­ti­fi­zie­ren und nach­zu­ho­len, betont Sze­ke­res. „Das ist gera­de jetzt beson­ders wich­tig, ergänzt Zwi­au­er: „Das Immun­sys­tem aller hat auf­grund der Pan­de­mie und der Hygie­ne­maß­nah­men 1,5 Jah­re lang so gut wie nichts gelernt. Krank­heits­kei­me fin­den nun prak­tisch ein Pool an Per­so­nen vor, die nur schlecht dage­gen geschützt sind. Wird dies nicht durch ent­spre­chen­de Imp­fun­gen kom­pen­siert, besteht die Gefahr, dass nach dem Zurück­fah­ren der COVID-19-Hygie­ne­maß­nah­men vie­le Krank­hei­ten wie Influ­en­za, Masern oder Keuch­hus­ten häu­fi­ger auf­tre­ten wer­den als zuvor.“

Auf­merk­sam­keit nüt­zen

„Posi­tiv ist, dass das Wis­sen und die Auf­merk­sam­keit gegen­über Impf­stof­fen und Imp­fun­gen durch die COVID-19-Pan­de­mie gestie­gen ist“, berich­tet Gal­lo-Dani­el und ergänzt: „Wir soll­ten die­se Auf­merk­sam­keit nüt­zen, um den Kin­dern und Jugend­li­chen in den Schu­len die wich­ti­gen HPV‑, Menin­go­kok­ken- und die diver­sen Boos­ter­imp­fun­gen so schnell wie mög­lich anzu­bie­ten. Imp­fun­gen schüt­zen vor schwe­ren Krank­hei­ten, ret­ten Leben und bewah­ren uns vor lang­fris­ti­gen Schä­den. Viel mehr Men­schen als vor der Pan­de­mie wis­sen jetzt, was für ein kost­ba­res und knap­pes Gut Impf­stof­fe sind. Wir soll­ten die­se Chan­ce ergrei­fen und alles dafür tun, um die Durch­imp­fungs­ra­ten bei Rou­ti­ne­imp­fun­gen zu stei­gern.“

Lang­fris­tig Ver­ein­heit­li­chung des Impf­we­sens not­wen­dig

Nach dem Auf­ho­len der ver­säum­ten Imp­fun­gen braucht es aber auch eine Stra­te­gie für die Zukunft. ÖGKJ-Gene­ral­se­kre­tär Kerbl wünscht sich dafür eine Ver­ein­heit­li­chung des Impf­we­sens. „Dazu braucht es eine zen­tra­le Steue­rung über den e‑Impfpass inklu­si­ve Anbin­dung an ELGA“, so Kerbl. Der­zeit sei­en alle Imp­fun­gen – auch für Erwach­se­ne (mit Aus­nah­me von COVID) – nur in Papier­form doku­men­tiert. Dar­über sei kei­ne all­ge­mei­ne Steue­rung mög­lich. Der nächs­te Schritt müs­se also sein, alle Imp­fun­gen zen­tral elek­tro­nisch zu erfas­sen. Er stellt klar: „Wich­tig ist, dass jedes Kind in Öster­reich den gleich guten Zugang zu Imp­fun­gen auch im Schul­al­ter hat.“

Refe­ren­zen:

WHO (2020). Gui­ding prin­ci­ples for immu­niza­ti­on acti­vi­ties during the COVID-19 pan­de­mic: inte­rim gui­dance, 26 March 2020. https://apps.who.int/iris/handle/10665/331590. Zuletzt abge­ru­fen im Juni 2021

Rück­fra­ge­hin­weis:

Mag.a Uta Mül­ler-Car­stan­jen
FINE FACTS Health Com­mu­ni­ca­ti­on
Mobil: +43 664 515 30 40
mueller-carstanjen@finefacts.at
www.finefacts.at
www.oevih.at