Pres­se­mit­tei­lung vom 04.04.2017

Weltgesundheitstag 2017: Impfprogramme – eine beispiellose Erfolgsgeschichte

Drastischer Rückgang von Infektionskrankheiten – gesellschaftlicher Nutzen zu wenig bekannt

Wien, 4. April 2017 – Beim The­ma Imp­fen dre­hen sich die Dis­kus­sio­nen meist um weit mehr als nur die nack­ten Tat­sa­chen. Denn die wären ein­deu­tig, wie ein Fak­ten­check anläss­lich des bevor­ste­hen­den Welt­ge­sund­heits­ta­ges zeigt. Imp­fun­gen gehö­ren – medi­zi­nisch gese­hen – zu den größ­ten Errun­gen­schaf­ten der jün­ge­ren Geschich­te. Ohne die ent­spre­chen­den Impf­stof­fe und Impf­kam­pa­gnen wür­den auch in Euro­pa immer noch Men­schen an Läh­mungs­er­schei­nun­gen infol­ge von Polio­mye­li­tis lei­den, jedes Jahr tau­sen­de Säug­lin­ge und Klein­kin­der in Öster­reich mit einer Rota­vi­ren-Infek­ti­on ins Spi­tal kom­men oder Kin­der an Hirn­ent­zün­dun­gen, aus­ge­löst durch Masern, ster­ben. Den­noch bleibt die Impf­skep­sis weit ver­brei­tet: Die Grün­de rei­chen vom wahr­ge­nom­me­nen „Geschäft mit der Angst“ über die Furcht vor schwe­ren Neben­wir­kun­gen bis zur Annah­me, dass es bes­ser sei, Kin­der­krank­hei­ten „durch­zu­ma­chen“ als Kin­der imp­fen zu las­sen.

Die Fak­ten sind: Die Immu­ni­sie­rung durch Imp­fun­gen ver­hin­dert jähr­lich etwa zwei bis drei Mil­lio­nen Todes­fäl­le. Wei­te­re 1,5 Mil­lio­nen Men­schen könn­ten vor dem Tod bewahrt wer­den, wenn sich die glo­ba­le Durch­imp­fungs­ra­te erhö­hen wür­de.1

Polio(myelitis) so gut wie aus­ge­rot­tet, Pocken nicht mehr exis­tent
Noch 1988 war Polio in 188 Län­dern der Welt ende­misch und ver­ur­sach­te etwa 350.000 Krank­heits­fäl­le. In einem von 200 Fäl­len kam es als Fol­ge der Erkran­kung zu Läh­mungs­er­schei­nun­gen, fünf bis zehn Pro­zent davon kamen ums Leben. Eine Hei­lung gibt es nicht, ein­zi­ge Schutz­mög­lich­keit ist die Imp­fung. Durch die Ein­füh­rung glo­ba­ler Impf­pro­gram­me ist Polio heu­te so gut wie aus­ge­rot­tet. 2015 waren gera­de ein­mal 74 Erkran­kun­gen in drei Län­dern (Afgha­ni­stan, Paki­stan und Nige­ria) bekannt. Das ist ein Rück­gang von mehr als 99 Pro­zent.2 Tat­säch­lich durch ein welt­wei­tes Impf­pro­gramm aus­ge­rot­tet wer­den konn­ten die Pocken, und das in einem Zeit­raum von nur 14 Jah­ren. Der letz­te Fall ist 1977 auf­ge­tre­ten.3

Rota­vi­rus-Imp­fung erspart Klein­kin­dern Kran­ken­haus­auf­ent­halt
Weni­ger gut steht es welt­weit um den Rota­vi­ren-Brech­durch­fall. Die WHO schätzt, dass an die­ser Erkran­kung jähr­lich 527.000 Kin­der ster­ben. Und das, obwohl die Krank­heit durch eine ein­fa­che Schluck­imp­fung ver­meid­bar wäre. Sym­pto­me sind Erbre­chen, Durch­fall, Fie­ber, manch­mal auch Ohren­schmer­zen. Früh­ge­bo­re­ne sind beson­ders gefähr­det, durch die Infek­ti­on mit dem Virus schwe­re Kom­pli­ka­tio­nen zu erlei­den. Im Gegen­satz zu ande­ren Infek­ti­ons­krank­hei­ten kön­nen Kin­der sogar mehr­fach an einer Rota­vi­ren-Infek­ti­on erkran­ken. Bevor ein Impf­stoff zur Ver­fü­gung stand, wur­den auch in Öster­reich jähr­lich 2.900 bis 4.400 Kin­der mit einer Rota­vi­ren-Infek­ti­on sta­tio­när behan­delt.4 Seit die Imp­fung 2007 ins öster­rei­chi­sche Gra­tis-Kin­der­impf­pro­gramm auf­ge­nom­men wur­de, konn­te die Hos­pi­ta­li­sie­rungs­ra­te um 90 Pro­zent gesenkt wer­den. Sogar eine Her­den­im­mu­ni­tät konn­te erreicht wer­den.5 Das bedeu­tet, dass schon nach eini­gen Jah­ren jene Kin­der und Säug­lin­ge vor der Erkran­kung geschützt wer­den konn­ten, die nicht selbst geimpft wer­den (kön­nen).

Masern-Imp­fung ver­hin­dert Mil­lio­nen Todes­fäl­le welt­weit
Nach wie vor gefähr­lich sind auch die Masern. Sie sind eine der füh­ren­den Todes­ur­sa­chen bei klei­nen Kin­dern, trotz der Exis­tenz eines hoch­wirk­sa­men Impf­stof­fes. 2015 star­ben welt­weit immer noch mehr als 134.000 Men­schen an Fol­ge­er­schei­nun­gen. Dies ist den­noch eine deut­li­che Ver­bes­se­rung im Ver­gleich zur Vor-Impf­ära. Zwi­schen 2000 und 2015 konn­ten die Todes­fäl­le um 79 Pro­zent gesenkt wer­den. 20,3 Mil­lio­nen Men­schen leben noch, weil sie recht­zei­tig geimpft wur­den.6 Ziel der WHO ist es, die Masern in den nächs­ten Jah­ren welt­weit kom­plett aus­zu­rot­ten. „Um dies auch für Öster­reich zu errei­chen, muss eine Durch­imp­fungs­ra­te von 95 Pro­zent mit zwei Impf­do­sen erreicht wer­den. Davon sind wir der­zeit aller­dings weit ent­fernt“, so Univ.-Prof.in Ursu­la Kun­ze vom Zen­trum für Public Health an der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien. Beson­ders schlecht sind die Durch­imp­fungs­ra­ten bei Kin­dern, die zwi­schen 2008 und 2010 und bei Men­schen, die in den 1990er-Jah­ren gebo­ren wur­den.7 Ins­ge­samt steigt die Zahl der Masern­fäl­le der­zeit wie­der an. Seit Jah­res­be­ginn wur­den 67 Masern­fäl­le gezählt (Stand 20.03.2017). „Ein Grund für die ver­gleichs­wei­se schlech­ten Durch­imp­fungs­ra­ten ist der Irr­glau­be, dass es sich bei Masern um eine harm­lo­se Kin­der­krank­heit han­delt“, erläu­tert die Exper­tin. „Das Gegen­teil ist der Fall: Ein Vier­tel der Erkrank­ten bekommt Kom­pli­ka­tio­nen, ange­fan­gen von einer Mit­tel­ohr­ent­zün­dung, über Durch­fall und Lun­gen­ent­zün­dung bis hin zur äußerst gefähr­li­chen Gehirn­ent­zün­dung.“ Masern sind übri­gens mel­de­pflich­tig und höchst anste­ckend. Das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um rät allen nicht geimpf­ten Per­so­nen drin­gend zur Imp­fung.

Imp­fung kann Krebs ver­hin­dern
Mehr als zwei Drit­tel aller Men­schen infi­zie­ren sich im Lau­fe ihres Lebens mit HPV (Huma­ne Papil­lo­ma-Viren). Davon gibt es zwei Arten: Nied­rig-Risi­ko- und Hoch-Risi­ko-Typen. „Nied­rig-Risi­ko-Typen sind zu 90 Pro­zent für die Bil­dung von äußerst unan­ge­neh­men und häu­fig wie­der­keh­ren­den Geni­tal­war­zen ver­ant­wort­lich. Hoch-Risi­ko-Typen (onko­ge­ne Typen) kön­nen zu Krebs­vor­stu­fen und spä­ter zu Gebär­mut­ter­hals­krebs, Schei­den­krebs, Krebs der Scham­lip­pen, Penis- und Anal­krebs sowie zu Krebs im Bereich des Kop­fes oder des Rachens füh­ren“, erläu­tert Univ.-Prof. Dr. Elmar Jou­ra von der Kli­ni­schen Abtei­lung für All­ge­mei­ne Gynä­ko­lo­gie und gynä­ko­lo­gi­sche Onko­lo­gie an der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien. Seit eini­gen Jah­ren gibt es gegen bei­de Viren-Arten wirk­sa­me Impf­stof­fe. Der Schutz gegen eine Infek­ti­on durch onko­ge­ne Viren kann über 95 Pro­zent betra­gen. Zwei der drei am Markt befind­li­chen Impf­stof­fe redu­zie­ren zudem die Wahr­schein­lich­keit geimpf­ter Frau­en, an Geni­tal­war­zen zu erkran­ken, um etwa 90 Pro­zent. Von einer Imp­fung pro­fi­tiert aber nicht nur die ein­zel­ne Frau: Seit eini­gen Jah­ren lie­gen auch Daten vor, die zei­gen, dass es durch breit ange­leg­te Impf­pro­gram­me tat­säch­lich weni­ger oft zu Krebs­vor­stu­fen kommt. In einer aus­tra­li­schen Stu­die ist von einem Rück­gang von etwa der Hälf­te inner­halb von nur drei Jah­ren bei Mäd­chen unter 18 Jah­ren die Rede. Deut­sche Exper­ten haben vor eini­gen Jah­ren hoch­ge­rech­net, dass schon bei einer Durch­imp­fungs­ra­te von nur 50 Pro­zent (bei Mäd­chen) etwa vier von zehn Gebär­mut­ter­hals­krebs­er­kran­kun­gen in den nächs­ten hun­dert Jah­ren ver­mie­den wer­den kön­nen.8 Jou­ra: „Legt man die­se Zah­len auf Öster­reich um, kann eine Imp­fung tau­sen­den Frau­en in den nächs­ten Jahr­zehn­ten eine Krebs­er­kran­kung erspa­ren.“

Rück­fra­ge­hin­weis:
Mag.a Uta Mül­ler-Car­stan­jen
Fine Facts Health Com­mu­ni­ca­ti­on
Mobil: +43 664 515 30 40
mueller-carstanjen@finefacts.at

Kon­takt ÖVIH:
Mag.a Renée Gal­lo-Dani­el
Prä­si­den­tin des Öster­rei­chi­schen Ver­ban­des der Impf­stoff­her­stel­ler
Mobil: +43 664 544 62 90
r.gallo-daniel@web.oevih.at
www.oevih.at

1 Factsheet WHO: Immunization coverage, https://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs378/en/
2 Factsheet WHO: Poliomyelitis, https://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs114/en/
3 WHO, Frequently asked questions and answers on smallpox, https://www.who.int/csr/disease/smallpox/faq/en/
4 Österreichischer Impfplan 2017
5 Paulke-Korinek M et al., Vaccine 2013; 31(24):2686–91
6 Factsheet WHO: Measles, https://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs286/en/
7 BMGF, Kurzbericht: Evaluierung der Masern-Durchimpfungsraten, www.bmgf.gv.at/cms/home/attachments/7/0/0/CH1472/CMS1473753939787/masern__kurzbericht_2016.pdf
8 Horn, et al., Vaccine 2013