Pres­se­mit­tei­lung vom 24.04.2018

Weltimpfwoche: Impferfolge und Verbesserungspotenzial

Auch Österreich ist noch nicht am Ziel – höhere Durchimpfungsraten bei Influenza‑, Meningokokken- und HPV-Impfungen notwendig

Wien, 24. April 2018 – Die World Immu­niza­ti­on Week (Welt­impf­wo­che) der WHO erin­nert uns jedes Jahr dar­an, wel­che Bedeu­tung Imp­fun­gen für die Gesund­heit haben. Nicht umsonst wer­den sie auf Platz eins der größ­ten medi­zi­ni­schen Errun­gen­schaf­ten welt­weit gefüh rt. Wäh­rend der letz­ten zwei Jahr­hun­der­te haben sie die Pocken aus­ge­rot­tet, die Sterb­lich­keits­ra­ten bei Kin­dern welt­weit redu­ziert, unzäh­li­ge Geburts­de­fek­te und lebens­lan­ge Behin­de­run­gen ver­hin­dert.1 Aber noch ist nicht alles getan, nicht ein­mal bei uns. Neue Impf­stof­fe – wie jene gegen Menin­go­kok­ken oder HPV* – hel­fen, wei­te­re Krank­heits­fäl­le zu redu­zie­ren. Dafür müs­sen jedoch genü­gend Men­schen geimpft sein. Das gilt auch für die jähr­li­che Influ­en­za-Imp­fung. In Öster­reich gibt es hier durch­aus Ver­bes­se­rungs­po­ten­zi­al.

Heu­te, am Beginn der World Immu­niza­ti­on Week, ist Welt-Menin­gi­tis-Tag. Menin­gi­tis, also Hirn­haut­ent­zün­dung, kommt hier­zu­lan­de zwar nicht so oft vor, kann aber in kur­zer Zeit zum Tode füh­ren oder schwer­wie­gen­de Fol­gen nach sich zie­hen. Aus­lö­ser sind sowohl Bak­te­ri­en als auch Viren, Pil­ze oder Para­si­ten. Gegen vie­le, aber nicht alle Erre­ger kann man sich imp­fen las­sen.

Bak­te­ri­el­le Menin­gi­tis: Inner­halb weni­ger Stun­den in Todes­ge­fahr
Beson­ders gefähr­lich ist bak­te­ri­el­le Menin­gi­tis. Sie kann durch Pneu­mo­kok­ken oder Menin­go­kok­ken aus­ge­löst wer­den. Gegen bei­de Bak­te­ri­en­ar­ten gibt es Imp­fun­gen. „Lei­der wer­den die­se aber auch in Öster­reich nicht aus­rei­chend wahr­ge­nom­men“, betont Univ.-Prof. Dr. Wer­ner Zenz, Lei­ter der For­schungs­ein­heit Infek­tio­lo­gie und Vak­zi­no­lo­gie der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Kin­der- und Jugend­heil­kun­de Graz. „Und das, obwohl eine Menin­go­kok­ken-Infek­ti­on in 10 bis 15 Pro­zent der Fäl­le – meis­tens bei Säug­lin­gen und Klein­kin­dern oder Jugend­li­chen – inner­halb von Stun­den zum Tod füh­ren kann. Vie­le Eltern wis­sen das aber nicht.“ Pro­ble­ma­tisch ist, dass die ers­ten Sym­pto­me eher harm­los und von eine m grip­pa­len Infekt kaum zu unter­schei­den sind. Meist kom­men dann aller­dings noch Ver­wirrt­heit bzw. Bewusst­lo­sig­keit, Licht­emp­find­lich­keit und Nacken­stei­fig­keit dazu.2 „Spä­tes­tens dann soll­te sofort ein Arzt auf­ge­sucht wer­den“, warnt Zenz. „Menin­go­kok­ken-Infek­tio­nen müs­sen so schnell wie mög­lich behan­delt wer­den, da sie ohne Inten­siv­be­hand­lung rasch zum Tod füh­ren kön­nen.“

Imp­fen schützt
2016 wur­den in Öster­reich 37 Fäl­le von inva­si­ven Menin­go­kok­ken-Erkran­kun­gen (Hirn­haut­ent­zün­dung oder Blut­ver­gif­tung) bestä­tigt. Drei Per­so­nen sind ver­stor­ben. Am häu­figs­ten betrof­fen waren Kin­der und Jugend­li­che.3 Bekannt ist heu­te, dass fünf Sub­grup­pen (A, C, W, Y and B) 90 Pro­zent aller welt­wei­ten Menin­go­kok­ken-Erkran­kun­gen ver­ur­sa­chen,4 gegen die man sich auch imp­fen las­sen kann. In Öster­reich ist die Menin­go­kok­ken-Sero­grup­pe B am häu­figs­ten, gefolgt von C und Y.5 Noch ist es zwar nicht mög­lich, sich mit einem Impf­stoff gegen alle rele­van­ten Menin­go­kok­ken-Stäm­me zu schüt­zen. „Den­noch soll­te man alle Imp­fun­gen in Anspruch neh­men, die es dazu gibt“, emp­fiehlt Exper­te Zenz, „denn selbst bei jeman­dem, der Krank­heit über­steht, gibt es eine rela­tiv hohe Wahr­schein­lich­keit, dass Lang­zeit­schä­den zurück­blei­ben.“ Bei mehr als 10 Pro­zent aller Pati­en­ten ist das der Fall.6 Der Kom­bi­na­ti­ons­impf­stoff gegen die Sub­grup­pen A, C, W135 und Y ist sogar im kos­ten­frei­en Ki nder­impf­pro­gramm. Eine Imp­fung gegen Menin­go­kok­ken B wird laut Öster­rei­chi­schem Impf­plan auf­grund der epi­de­mio­lo­gi­schen Situa­ti­on für alle Kin­der und Jugend­li­chen ab dem zwei­ten Lebens­mo­nat emp­foh­len.

Umfas­sen­de Emp­feh­lung – man­gel­haf­te Umset­zung
Schwer­wie­gen­de Kom­pli­ka­tio­nen ver­hin­dern könn­te man auch wesent­lich häu­fi­ger bei der Influ­en­za, der ech­ten Virus­grip­pe. Die­se sind der Grund, war­um die Influ­en­za-Imp­fung mit beson­de­rem Nach­druck gera­de für älte­re Per­so­nen, Schwan­ge­re und Kin­der sowie Risi­ko­pa­ti­en­ten emp­foh­len wird.7 In die­sen Grup­pen kön­nen Influ­en­za-beding­te Kom­pli­ka­tio­nen näm­lich beson­ders dra­ma­tisch ver­lau­fen. Trotz umfas­sen­der Emp­feh­lung ist Öster­reich euro­päi­sches Schluss­licht bei der Durch­imp­fungs­ra­te. Das Euro­pean Cen­ter for Dise­a­se Pre­ven­ti­on and Con­trol (ECDC) rät zur genau­en Ana­ly­se der Durch­imp­fungs­ra­ten in den ein­zel­nen Grup­pen und zur Iden­ti­fi­ka­ti­on von poten­zi­el­len Hin­der­nis­sen auf dem Weg der Pati­en­ten zur Imp­fung.8

Imp­fen kann Krebs ver­hin­dern
Ver­hin­dern kann man mitt­ler­wei­le auch ver­schie­de­ne Krebs­ar­ten im Anal- und Geni­tal­be­reich von Frau­en und Män­nern. Die häu­figs­te durch Huma­ne Papil­lo­ma­vi­ren (HPV) ver­ur­sach­te Krebs­form ist Gebär­mut­ter­hals­krebs. Seit eini­gen Jah­ren gibt es zur Vor­beu­gung hoch wirk­sa­me Impf­stof­fe. „Mit dem zuletzt zuge­las­se­nen Neun­fach­impf­stoff kön­nen 90 Pro­zent aller Virus­ty­pen abge­deckt wer­den, die Gebär­mut­ter­hals­kar­zi­no­me und ande­re Krebs­ar­ten aus­lö­sen kön­nen“, erklärt Univ. Prof. Dr. Elmar Jou­ra von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Frau­en­heil­kun­de der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien. Die ers­ten Erfol­ge sind schon zu beob­ach­ten: In Aus­tra­li­en und Däne­mark, die die HPV-Imp­fung bereits sehr früh in ihre Impf­pro­gram­me auf­ge­nom­men und rasch hohe Durch­imp­fungs­ra­ten erreicht haben, konn­te laut Stu­di­en bereits eine 80-pro­zen­ti­ge Reduk­ti­on der Krebs­vor­stu­fen am Gebär­mut­ter­hals erreicht wer­den.9 In Finn­land wur­de erst­mals nach­ge­wie­sen, dass durch die­se Imp­fun­gen Krebs ver­hin­dert wird.10 Außer­dem kam es in Län­dern mit hohen Durch­imp­fungs­ra­ten bereits zu einem 90-pro­zen­ti­gen Rück­gang bei Geni­tal­war­zen.11

Durch­imp­fungs­ra­te erhö­hen
Bei uns wird die Imp­fung aktu­ell allen Mäd­chen und Buben von neun bis elf Jah­ren im Rah­men des Gra­tis-Kin­der­impf­pro­gram­mes ange­bo­ten. Bis zum Abschluss des 15. Lebens­jahrs kann zu einem ver­güns­tig­ten Preis nach­ge­impft wer­den. „Der­zeit liegt die Durch­imp­fungs­ra­te bei Kin­dern bis 11 Jah­re trotz des guten Pro­gram­mes bei nur knapp 60 Pro­zent “, berich­tet Jou­ra. „Eine 80-pro­zen­ti­ge Durch­imp­fungs­ra­te wäre aller­dings not­wen­dig, um das Virus flä­chen­de­ckend zu eli­mi­nie­ren. Die Grün­de für die­se ver­gleichs­wei­se nied­ri­ge Zahl lie­gen vor allem an den unter­schied­li­chen Vor­gangs­wei­sen in den ein­zel­nen Bun­des­län­dern und Schu­len sowie an der feh­len­den Impf­plicht für Schul­ärz­te.“

In Län­dern wie Groß­bri­tan­ni­en und Aus­tra­li­en sind die Durch­imp­fungs­ra­ten höher. „Im Gegen­satz zu Öster­reich müs­sen sich Eltern dort aktiv gegen eine Imp­fung aus­spre­chen , ansons­ten wer­den ihre Kin­der rou­ti­ne­mä­ßig geimpft“, erläu­tert Jou­ra. Daher sind dort zum Teil übe r 90 Pro­zent der Kin­der in der ent­spre­chen­den Alters­klas­se geimpft. „Eine Rege­lung, die sicher auch bei uns dazu bei­tra­gen wür­de, die Durch­imp­fungs­ra­ten zu erhö­hen und lang­fris­tig vie­le Erkran­kun­gen zu ver­hin­dern.“ In Aus­tra­li­en gibt es neben der Jugend­li­chen­imp­fung auch noch ein gra­tis-Catch-up-Pro­gramm für jun­ge Frau­en bis zum 19. Lebens­jahr.12 Etwas, das sich Jou­ra auch für Öster­reich vor­stel­len könn­te.

*Huma­nes Papil­lo­ma Virus

Rück­fra­ge­hin­weis:
Mag.a Uta Mül­ler-Car­stan­jen
Fine Facts Health Com­mu­ni­ca­ti­on
Mobil: +43 664 515 30 40
mueller-carstanjen@finefacts.at

Kon­takt ÖVIH:
Mag.a Renée Gal­lo-Dani­el
Prä­si­den­tin des Öster­rei­chi­schen Ver­ban­des der Impf­stoff­her­stel­ler
Mobil: +43 664 544 62 90
r.gallo-daniel@web.oevih.at
www.oevih.at

1 https://www.who.int/mediacentre/commentaries/vaccines/en/
2 AGES Folder Meningokokken, abrufbar unter https://www.ages.at/download/0/0/e3e10a7344009eb25635757e906db825b6971eea/fileadmin/AGES2015/Themen/Krankheitserreger_Dateien/Meningokokken/Meningokokken_Folder_1i_Din-lang_BF_final.pdf
3 AGES, Meningokokken-Jahresbericht 2016
4 Kieny MP, Excier J, Girard M. Research and development of new vaccines against infectious diseases. Am J Public Health. 2004; 94(11):1931–1935
5 Meningokokken Jahresbericht 2018, abrufbar unter https://www.ages.at/download/0/0/c45528c36848ad54f61d4c38e5af54b47a2480b4/fileadmin/AGES2015/Themen/Krankheitserreger_Dateien/Meningokokken/nationale_referenzzentrale_fuer_meningokokken_jahresbericht_2018_final.pdf
6 https://www.who.int/mediacentre/facts heets /fs141/en/
7 Österreichischer Impfplan 2018
8 ECDC, Seasonal influenza vaccination in Europe – Vaccination recommendations and coverage rates for eight influenza seasons (2007–2008 to 2014–2015)
9 WHO, Questions and answers about HPV
10 Luostarinen, T., et.al., Vaccination protects against invasive HPV-associated cancers, Int. J. Cancer: 142, 2186–2187 (2018)
11 Human papillomavirus vaccines: WHO Position paper, May 2017, https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/255353/WER9219.pdf;jsessionid=66420C4BB2107424E0A14B63043F0A72?sequence=1
12 https://parlinfo.aph.gov.au/parlInfo/search/display/display.w3p;query=Id:%22media/pressrel/5562151%22