FSME muss nicht sein
Impfnachlässigkeit kann schwere Folgen haben
Der Winter ist mild, die Zecken sind bereits aktiv. Bald schon werden die ersten besorgten Patient:innen mit einem Zeckenstich in die Arztpraxen und Spitalsambulanzen kommen. Doch dann ist es für eine FSME-Prophylaxe zu spät. Jedes Jahr gibt es mehr als 100, teilweise sogar mehr als 200 FSME-Fälle, die durch eine Impfung vermeidbar wären. 2023 gab es zwar verhältnismäßig wenige FSME- Fälle, allerdings ist ein hoher Anteil der Erkrankungen schwer verlaufen. Dauerhafte Folgeschäden sind möglich. Wer sich schützen will, sollte sich impfen und konsequent auffrischen lassen. Nachlässigkeit beim Impfen kann potenziell schwere Konsequenzen haben
Die Zecken sind schon da
Grundsätzlich ist das Auftreten von Zecken zu den ungewöhnlichsten Jahreszeiten nichts Besonderes. „Wir beobachten schon seit Jahren um die Weihnachtszeit bei ausreichend milden Temperaturen ein kurzfristiges Auftreten von Zecken“, berichtet Priv.-Doz. Dr. Georg Duscher, Zeckenforscher bei der AGES. „Dieses Jahr dauert die Phase der ungewöhnlich milden Temperaturen im Winter allerdings schon sehr lange an. Wir erhalten auch schon Meldungen über Ixodes ricinus – den Holzbock, die häufigste Zeckenart in Österreich.“ Diese frühe Aktivität sei bedingt durch die milden Temperaturen. Schließlich reichen schon 5 °C, damit die Zecken aktiv werden und auf Wirtssuche gehen. „Aufgrund der früheren Aktivität ist natürlich auch mit dem entsprechenden Auftreten der durch Zecken übertragenen Krankheiten wie FSME zu rechnen“, warnt Duscher.
Schwankende Fallzahlen
Laut der kürzlich veröffentlichen Virusepidemiologischen Information des Zentrums für Virologie der MedUni Wien wurde 2023 bei 104 hospitalisierten Personen FSME diagnostiziert. In den letzten Jahren waren diese Zahlen allerdings nicht immer so niedrig. 2018 gab es 154, 2020 216 und 2022 179 Fälle. „Daran kann man gut erkennen, dass FSME beziehungsweise die Erkrankungsfälle jährlich stark schwanken können“, erläutert OA Dr. Bernhard Haas vom Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie der KAGES.
Alles andere als erfreulich sei, dass fast zwei Drittel jener, bei denen im Spital FSME diagnostiziert wurde, von einem schweren Verlauf betroffen waren (63,5 %, 66 Patient:innen). „Die Entzündung betrifft dabei die Hirnhäute, das Gehirn selbst und/oder auch das Rückenmark und die sich von der Wirbelsäule weg verzweigenden Rückenmarksnerven (Spinalnerven), was unter Umständen eine lange Rehabilitation erforderlich macht“, so Haas.
Nicht verändert haben sich die besonders stark betroffenen Bundesländer. Spitzenreiter ist einmal mehr Oberösterreich (32), gefolgt von Tirol (17) und Salzburg (14). Auch die Altersverteilung ist in etwa gleich geblieben – hauptsächlich betroffen waren Personen über 50 Jahre (64,4 %, 67 Patient:innen), jedoch wurden in allen Altersgruppen Erkrankungen verzeichnet.
Nach dem Stich ist es zu spät
„Wir sehen immer wieder verängstigte Patient:innen, die nach einem Zeckenstich in die Spitalsambulanz oder in die ärztliche Praxis kommen und nach einer passiven Impfung („Impfung danach“) fragen“, berichtet Haas aus dem klinischen Alltag. Ein derartiges Immunglobulin sei aber nicht verfügbar. „In solchen Fällen können wir bei fehlenden Symptomen nur beratend agieren, über die Impfschemata informieren, eventuell, wenn noch vorhanden, die Zecke entfernen und die betroffene Person über die möglichen Symptome von FSME und die Erkrankung Borreliose aufklären.“
„Bis heute kann eine FSME-Erkrankung nicht kausal behandelt werden“, ergänzt Prim. Univ.- Prof. Dr. Jörg R. Weber, Vorstand der Neurologie am Klinikum Klagenfurt. „Selbst wenn sich aufgrund der typischen Krankheitssymptome schnell ein Verdacht auf FSME ergibt, der dann durch einen Antikörpernachweis und eine Liquorpunktion bestätigt wird, bleibt den behandelnden Ärzt:innen nichts anderes übrig, als die Erkrankung symptomatisch zu begleiten.“ Im Wesentlichen ginge es dabei darum, Sekundärerkrankungen zu vermeiden, die Betroffenen rechtzeitig auf der Intensivstation zu versorgen, eventuell künstlich zu beatmen und zu verhindern, dass es zu einer Aspiration, also dem Eindringen von Stoffen in die Atemwege käme. „Nach überstandener Infektion ist meist eine langwierige Rehabilitation notwendig. Schäden können dennoch bleiben“, erklärt Weber.
Impfung schützt: auf Reisen und zu Hause
„Geimpfte Personen, die sich im korrekten Impfschema befinden, können sich die Angst vor FSME ersparen, da sie mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit nicht daran erkranken werden“, betont Kollege Haas. „Zwar können sie Borreliose-Symptome entwickeln, da es gegen Borreliose derzeit noch keine Impfung gibt, allerdings ist diese Erkrankung – im Unterschied zur viralen FSME – in der Frühphase gut mit Antibiotika behandelbar.“
„In Österreich ist die Impfung gegen FSME schon seit vielen Jahrzehnten verfügbar“, führt Weber weiter aus. „Wie gut sie schützt, sieht man am Vergleich mit Ländern wie Tschechien, die eine ähnliche FSME-Verbreitung wie Österreich haben, aber eine deutlich geringere Durchimpfungsrate.“ In Tschechien wurden 2022 bei einer Durchimpfungsrate von unter 40 Prozent 710 FSME-Fälle registriert, in Österreich bei einer Durchimpfungsrate von über 80 Prozent 204.1 Wichtig sei, sich nicht nur grundimmunisieren, sondern auch auffrischen zu lassen. Weber hat dazu einen passenden Vergleich auf Lager: „Ähnlich wie man beim Auto nach 15.000 bis 30.000 Kilometern ein Service machen lässt, sollte man das auch beim eigenen Körper und den Impfungen tun. Wer Hirn hat, sollte es auch schützen.“
Auffrischungsimpfung nach 3 bis 5 Jahren notwendig
Am Impfschema hat sich seit Jahren nichts geändert. Die Grundimmunisierung für Erwachsene besteht aus drei Impfungen, für Kinder gibt es einen eigenen Kinderimpfstoff. Die erste Auffrischung sollte drei Jahre nach der Grundimmunisierung erfolgen. Die weiteren Auffrischungsimpfungen bis zum vollendeten 60. Lebensjahr alle fünf Jahre, ab dem vollendeten 60. Lebensjahr alle drei Jahre.
Neues Citizen-Science-Projekt zur Zeckenbeobachtung
Trotz vorhandener FSME-Impfung müssen auch die Zecken weiter beobachtet werden, sowohl die neu auftretenden als auch die heimischen Zeckenarten. „Die AGES hat daher ein EU-Projekt zum Zecken-/Gelsenmonitoring gestartet. Die Bevölkerung soll in Form eines Citizen-Science-Projektes in die Zeckenmeldung eingebunden werden“, berichtet Zeckenforscher Duscher. Die Website sei noch im Aufbau, vorläufig könnten Bilder von tropischen Riesenzecken auf zecken@ages.at geschickt werden.
Referenzen:
https://tbenews.com/The_TBE_Book_6th_Edition.pdf, zuletzt abgerufen am 28. Februar 2024.
Rückfragehinweis:
Mag.a Uta Müller-Carstanjen
FINE FACTS Health Communication
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