Impfungen können Antibiotika-Verschreibungen senken
Auch Antibiotikaresistenzen können damit vorgebeugt werden
Antibiotika können Leben retten. Aber besser ist: Man braucht sie erst gar nicht. Natürlich lässt sich nicht ausschließen, dass man irgendwann in die Situation kommt, Antibiotika zu benötigen. Die Wahrscheinlichkeit dafür lässt sich aber reduzieren – unter anderem durch Impfungen. Dafür gibt es zwei Wege: den direkten und indirekten. Das bedeutet, dass sich bestimmte bakterielle Infektionen, die mit Antibiotika behandelt werden müssten, durch Impfungen direkt abwenden lassen. Außerdem können Impfungen gegen virale Erkrankungen sowohl die virale Infektion als auch eine potenzielle bakterielle Superinfektion als Konsequenz des geschwächten Immunsystems verhindern. Auch am Problem der gegen Antibiotika resistenten Keime wird gearbeitet. Dazu gibt es bereits einige Impfstoff-Kandidaten in der Forschung.
Antibiotika: Fluch und Segen zugleich
„Wenn man sie braucht, rechtzeitig bekommt und die Infektion damit schnell in den Griff bekommt, dann sind Antibiotika ein Segen“, meint Mag.a Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller (ÖVIH). „Aber nicht immer klappt das so einfach. Manchmal werden Antibiotika zu spät verordnet und mitunter wirken sie nicht mehr, weil die betreffende Person mit einem resistenten Keim infiziert ist.“ Wie so oft in der Medizin gelte auch hier das Motto „Vorbeugen ist besser als heilen“. „Impfungen werden in diesem Zusammenhang komplett unterschätzt, ihr Wert wird in Hinblick auf Antibiotikaresistenzen nicht gesehen“, erläutert Gallo-Daniel. „Dabei wissen wir von vielen Impfstoffen, dass sie den Einsatz von Antibiotika deutlich reduzieren können.“ Das gelte nicht nur für Impfstoffe gegen bakterielle Infektionen, sondern auch für solche, die gegen virale Erreger gerichtet sind. „Man könnte hier auch von einem essenziellen Zusatznutzen von Impfstoffen sprechen“, so die ÖVIH-Präsidentin.
Antibiotikaresistenzen werden weltweit zum Problem
Was uns oft nicht bewusst ist: Jedes Mal, wenn Antibiotika eingesetzt werden, fördert dies die Bildung von Resistenzen. Empfindliche Bakterien werden vernichtet, während die resistenten überleben und sich weiter vermehren können. Prinzipiell ist es so, dass antibiotikaresistente Erreger dort vorkommen, wo viele Antibiotika eingesetzt werden.
„Während wir in Österreich im internationalen Vergleich noch eine Insel der Seligen sind, weil es bei uns noch verhältnismäßig wenig Antibiotikaresistenzen (AMR) gibt, sind sie weltweit bereits im Vormarsch“, berichtet Mag.a Sigrid Haslinger, Vizepräsidentin des ÖVIH. „In der EU/EWR-Region ist die gesundheitliche Belastung aufgrund von Infektionen im Zusammenhang mit Antibiotikaresistenzen mittlerweile vergleichbar mit jener von Influenza, Tuberkulose und HIV/AIDS zusammengerechnet.“ Impfungen seien ein wichtiges, aber bisher stark unterschätztes Mittel, um Antibiotikaresistenzen einzudämmen, betont sie. „Durch das Verhindern von Infektionskrankheiten wirken sie auf mehrfache Weise: Sie verhindern in vielen Fällen die Erkrankung an sich, sie beugen Sekundär- oder Superinfektionen vor, die durch die Infektion begünstigt werden, und sie reduzieren die Transmission der Pathogene in der Bevölkerung. All das führt dazu, dass Antibiotika unter Umständen nicht notwendig sind und weniger oft falsch oder zu viel eingesetzt werden.“
Nachgewiesene Wirksamkeit
Für viele Impfstoffe ist die Wirksamkeit hinsichtlich AMR-Reduktion mittlerweile klar nachgewiesen. So hat zum Beispiel die Einführung der Pneumokokken-Impfung bei Kindern in den USA zu einer signifikanten Reduktion von antibiotikaresistenten, invasiven Pneumokokken-Infektionen geführt. Das Aufkommen von Impfstoffen gegen Haemophilus influenzae Typ B hat nicht nur die Anzahl der Erkrankungsfälle drastisch reduziert, sondern auch das Auftreten von antibiotikaresistenten Stämmen. Die vor allem in Österreich ungeliebte Influenza-Impfung hat ebenso weitreichende positive Effekte: Sie reduziert den Einsatz von Antibiotika bei geimpften Personen um bis zu 64 %. Andere Beispiele für Impfstoffe, die den Antibiotikaverbrauch reduzieren, sind Impfstoffe gegen Rotaviren, Varizellen (Feuchtblattern) und das Dengue-Fieber. „Für Impfstoffe wie jene gegen COVID-19 oder RSV erwarten wir ähnliche Ergebnisse in Zukunft“, erläutert Dr. Christoph Jandl, Generalsekretär des ÖVIH.
Forschung an Impfstoffen gegen resistente Keime
„Leider gibt es schon viele Keime, gegen die Antibiotika bereits jetzt nicht mehr wirken“, fährt Jandl fort. „Um auch diese in den Griff zu bekommen, arbeiten Mitgliedsunternehmen von Vaccines Europe an spezifischen Impfstoffen gegen genau diese Erreger. Derzeit gibt es 15 Impfstoff-Kandidaten in Entwicklung, die antibiotikaresistente Bakterien der sogenannten WHO Priority Pathogens List zum Ziel haben.“ Diese Liste beinhaltet 12 Gruppen von Bakterien, die für die menschliche Gesundheit besonders gefährlich sind.
Nur verabreichte Impfstoffe wirken
„Zugelassene Impfstoffe sind wirksam und effektiv, um Erkrankungen vorzubeugen und vor Infektionen zu schützen, aber sie können nur ihr volles Potential entwickeln, wenn sie in der Praxis ankommen und verimpft werden“, betont ÖVIH-Präsidentin Gallo-Daniel. „Was wir brauchen, ist ein umfassendes Impfkonzept für alle in Österreich lebenden Personen mit einem konsequenten Maßnahmenplan für die Umsetzung. Nur so können wir die Durchimpfungsraten erhöhen und die Menschen vor schweren Krankheiten bewahren. Als ÖVIH unterstützen wir die Politik dabei mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen.“.
Referenzen:
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Antibiotikaresistenz/Grundwissen/Grundwissen_inhalt.html, zuletzt abgerufen am 5.12.2023
Vaccines Europe, Vaccines Europe White Paper on the role of vaccination in the fight against antimicrobial resistance November (AMR)2023
Rückfragehinweis:
Mag.a Uta Müller-Carstanjen
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