Wie das Impfen in Österreich (noch) besser gelingen kann

1. Februar 2024

ÖVIH präsentiert „Aktionsplan Impfen 2024“

Die Voraussetzungen sind gut: Im Österreichischen Impfplan ist klar empfohlen, für wen wann welche Impfungen wichtig sind. Für Kinder gibt es ein hervorragendes kostenfreies Kinderimpfkonzept und für COVID-19, Influenza und Masern haben wir ein öffentliches Impfprogramm. Die bestehenden Impfempfehlungen und bisherigen öffentlichen Impfprogramme werden in der Bevölkerung nicht optimal angenommen. Die Durchimpfungsraten sind in vielen Impfindikationen nach wie vor niedrig. Was ist also zu tun? Der Österreichische Verband der Impfstoffhersteller (ÖVIH) hat in seinem „Aktionsplan Impfen 2024“ sechs Kernbereiche identifiziert, um die Impf-Awareness zu erhöhen, Durchimpfungsraten in allen Altersgruppen zu steigern und die Krankheitslast verursacht durch impfpräventable Erkrankungen zur reduzieren.

Definition gesundheitspolitischer Ziele notwendig
„Als Allererstes brauchen wir gesundheitspolitische Impf-Ziele für Österreich, an denen sich alle weiteren Aktivitäten orientieren“, nennt ÖVIH-Präsidentin Mag.a Renée Gallo-Daniel die Grundvoraussetzung. Für manche Impf-Indikationen sind Zielvorgaben zu notwendigen Durchimpfungsraten bereits auf internationaler Ebene ausgegeben worden. Beispielsweise gibt es Eradikationsziele, um Krankheiten auszurotten. Dies betrifft zum Beispiel die Masern, für die es eine Durchimpfungsrate von 95 Prozent mit zwei Dosen braucht, um die Erkrankung auszurotten1, aber auch die Impfung gegen HPV, die 90 Prozent aller Mädchen bis 2030 weltweit erhalten sollen, um Gebärmutterhalskrebs zu eliminieren.2 Auch für die Influenza-Impfung gibt es ein Impf-Ziel von 75 Prozent der WHO und der EU für vulnerable Bevölkerungsgruppen.3 „Österreich liegt mit den derzeit bekannten Durchimpfungsraten für alle genannten Impf-Indikationen leider weit darunter“, so Gallo-Daniel. „Wichtig wäre, diese internationalen Impf-Ziele sowie Ziele für weitere im Impfplan empfohlenen Indikationen, die lokal aufgrund der Epidemiologie, also der lokalen Gegebenheiten, festgelegt werden müssen, auch in Österreich verbindlich festzuschreiben. Nur dann kann man zielspezifische Maßnahmen definieren, priorisieren und Erfolge daran messen.“

E-Impfpass ausbauen
Das Erheben und Evaluieren der aktuellen Durchimpfungsraten beziehungsweise der Wirksamkeit bestimmter Maßnahmen, die sich im Ansteigen der Durchimpfungsraten widerspiegeln, wäre zum Beispiel mithilfe des E-Impfpasses gut umsetzbar. Gallo-Daniel betont: „Österreich ist ein Vorreiter in Sachen Digitalisierung des Impfwesens. Nun müssen wir daran arbeiten, diese Errungenschaft noch weiter auszubauen.“ Sie plädiert unter anderem für eine Eintragungspflicht aller im österreichischen Impfplan empfohlenen und durchgeführten Impfungen. Dadurch könnten nicht nur die Daten für die jeweilige Person erfasst werden, um den Impfstatus zum Beispiel für den behandelnden Arzt bzw. die behandelnde Ärztin auf den ersten Blick erkennbar zu machen, sondern auch die Durchimpfungsraten pro Indikation für die gesamte Population erhoben werden. Wünschenswert aus Sicht des ÖVIH wäre auch ein Erinnerungssystem auf Individualebene, denn viele Impfungen – vor allem Auffrischungen – werden ja nicht absichtlich versäumt, sondern einfach vergessen.

Impfkonzept für alle Altersgruppen
„Der Definition von Impfzielen und den Überlegungen zum Monitoring der Zielerreichung muss natürlich auch ein öffentliches Impf-Konzept folgen, und zwar eines für alle Altersgruppen“, erklärt Dr. Christoph Jandl, Generalsekretär des ÖVIH. „Impfen wird zunehmend wichtiger je älter man wird, da mit dem Älterwerden die Anfälligkeit für Infektionskrankheiten und auch die Wahrscheinlichkeit für schwere Krankheitsfolgen steigen.“ Aktuell gibt es für alle Altersgruppen öffentliche Impfprogramme für die COVID-19- und die Influenza-Impfung. Auch die Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln ist für alle gratis in Österreich erhältlich. Dies seien wichtige erste Schritte, die weiter optimiert werden müssten. Ganz wichtig sei, weitere Impfungen ins öffentliche Impfprogramm für alle Altersgruppen sowie für spezielle Risikogruppen aufzunehmen, und zwar im Rahmen eines transparenten und für alle nachvollziehbaren Prozesses, betont Jandl.

Verbesserter Zugang zu kostenfreien Impfungen für Kinder und Jugendliche
Während einerseits ein Impfkonzept für alle Altersgruppen – vor allem mit Erweiterung im Erwachsenenbereich – etabliert werden müsse, sei es andererseits auch wichtig, das bereits existierende Impfprogramm für Kinder und Jugendliche zu verbessern, so Jandl weiter. „Bei einigen Impfungen wie z. B. jener gegen HPV, gibt es große Impflücken, da hinken wir im internationalen Vergleich deutlich hinterher. Und das, obwohl die Impfungen im Nationalen Impfplan seit vielen Jahren ausdrücklich empfohlen und mittlerweile bis zum 21. Lebensjahr kostenfrei erhältlich sind. Derzeit gibt es große Unterschiede zwischen den Bundesländern in der Umsetzung des Kinderimpfkonzepts. Als ÖVIH setzen wir uns dafür ein, dass es zukünftig eine bundeseinheitliche Aufklärung und einen niederschwelligen Zugang zu den Impfangeboten in allen Bundesländern gibt.“

Aufklärungskampagnen erforderlich
„Damit sich die Menschen – Kinder wie Erwachsene – auch tatsächlich impfen lassen, braucht es entsprechende Aufklärung“, ergänzt ÖVIH-Präsidentin Gallo-Daniel. „Diese kann nicht durch die Impfstoff-herstellende Industrie allein erfolgen – hier braucht es eine Zusammenarbeit auf breiter Basis mit Vertreter:innen des Gesundheitswesens und der öffentlichen Hand, Ärzt:innen, Apotheker:innen und weiteren impfrelevanten Institutionen. Der ÖVIH setzt daher auf Public Private Partnerships mit Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts, Kammern, Institutionen, Interessensvertretungen gemeinsam mit den Impfstoff-herstellenden Unternehmen. „Basierend auf einer genauen Analyse der bisherigen Maßnahmen können dadurch gemeinsame weitere Aktionen zur Steigerung der Impfakzeptanz und der Durchimpfungsraten gesetzt werden.“

Impfstoffhersteller frühzeitig einbinden
„All diese Maßnahmen sollen die Durchimpfungsraten erhöhen, Individuen vor schweren Krankheitsfolgen und das Gesundheitssystem sowie die Gesellschaft von steigenden Kosten bewahren“, betont der ÖVIH-Generalsekretär. „Um ein breites und flächendeckendes Impfkonzept zu etablieren, braucht es ausreichende Impfstoffmengen für die entsprechenden Impfindikationen. Wichtig dabei ist auch ein diversifiziertes Impfstoffportfolio (mehr als ein Impfstoff pro Impf-Indikation). Dies ist vor allem deshalb wichtig, weil Impfstoffe – selbst wenn sie in der gleichen Indikation eine Zulassung haben – nicht immer 1:1 vergleichbar/austauschbar sind – und die Wahl des zu verabreichenden Impfstoffes bei der Ärztin oder beim Arzt liegen soll.“ Um dies umsetzen zu können, müsse es einen rechtzeitigen Austausch zwischen der Impfstoff-herstellenden Industrie und den Entscheidungsträger:innen geben. Auf diese Art und Weise könnten die Informationen zur Impfstoff-Pipeline frühzeitig weitergegeben werden. „Das bedeutet, dass auch die Impfpläne frühzeitig darauf abgestimmt werden und die Bedarfsmengen erhoben werden können. Zu beachten ist dabei, dass Impfstoffe eine Produktionsvorlaufzeit von bis zu zwei Jahren haben“, so Jandl. Die Planung sollte aber noch deutlich über diese hinausgehen, stellt Gallo-Daniel klar. „Wichtig wäre eine Art langfristiges Horizon Scanning, also die Analyse von Entwicklungen, die Auswirkungen auf die Entstehung und Häufigkeit von Krankheiten haben. Dann kann auch besser eingeschätzt werden, welche Impfstoffe in welcher Menge gebraucht werden.“

Vier von sechs Impfstoff-herstellenden Unternehmen haben in Österreich Forschungs- und/oder Produktionsstandorte. Eine gute Abstimmung mit den Entscheidungsträger:innen in Politik und Gesundheitswesen trägt auch dazu bei, den Standort Österreich zu erhalten oder sogar weiter auszubauen.

Gallo-Daniel: „Wir freuen uns, unsere Vorschläge mit den Verantwortlichen im Gesundheitssystem und der Politik zu diskutieren, damit wir gemeinsam möglichst viele impfpräventable Erkrankungen vermeiden können“.

Referenzen:

https://cdn.who.int/media/docs/default-source/immunization/strategy/ia2030/ia2030-draft-4-wha_b8850379-1fce-4847-bfd1-5d2c9d9e32f8.pdf?sfvrsn=5389656e_69&download=true, zuletzt abgerufen am 29. Jänner 2024.

https://www.who.int/publications/i/item/9789240014107, zuletzt abgerufen am 29. Jänner 2024.

https://www.ecdc.europa.eu/en/seasonal-influenza/facts/factsheet, zuletzt abgerufen am 29. Jänner 2024.

Rückfragehinweis:

Mag.a Uta Müller-Carstanjen
FINE FACTS Health Communication
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